Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 205 wohl so zu erklären sein, daß er mit Rücksicht auf den Ausgleich mit Ruß­land die Verhandlungen nicht im vorhinein mit erhöhten Forderungen be­lasten wollte. Der Erfolg der Zusammenkunft in Friedrichsruh war unter diesen Um­ständen kein besonderer. Eine russische Zustimmung zur Annexion Bos­niens und der Hercegovina war eine zu geringe Kompensation für die Er­richtung eines Großbulgariens, da Rußland die Annexion bereits in der Convention additionelle vom Jahre 1877 und bezüglich des Sandaks von Növi Pazar zur Zeit des Berliner Kongresses (13. VII. 1878) zugestanden hatte81), oder — mit Kálnokys Worten — „das russische Anbot, uns dafür durch Regulirung unseres Besitzrechtes auf Bosnien und die Hercegovina zu entschädigen, ist fast lächerlich zu nennen. Die russischen Combinatio- nen in den Balkanländern sind doch alle auf den Zerfall der Türkei basirt. Wenn aber die türkische Herrschaft zu Ende geht, wem anders kann dann Bosnien und die Hercegovina zufallen, als den beati possidentes, denen ohnehin schon der Berliner Vertrag die Okkupation ohne Zeitbeschränkung zugesprochen hat. Hiezu brauchen wir also nicht erst die gnädige Zustim­mung Rußlands und es müßte jedenfalls eine ernstere Compensation aus­findig machen, wenn es uns eine Entschädigung bieten will“ 82). Da Hay- merle mit der aufgeworfenen Idee einer Entschädigung in Serbien und Rumänien bei Bismarck wenig Erfolg hatte, ist es kein Wunder, wenn er sich aus seiner Vorsicht nicht herauslocken ließ83). Nach Wien zurück­gekehrt, betrieb er aber mit doppeltem Eifer das neue Programm, in Ser­bien endlich Fuß zu fassen. Darin kam ihm nun Fürst Milan entgegen. c) Der Umschwung in Serbien. Fürst Milan zeigte für Politik immer das lebhafteste Interesse. Als konstitutioneller Herrscher, wie er einmal zu Herbert sagte, mische er sich in die inneren Angelegenheiten so wenig wie nur möglich ein, aber in der Führung der Außenpolitik beanspruche er eine entscheidende Rolle 84). Un­ter diesen Umständen ist die Einsicht von der Notwendigkeit guter Bezie­hungen zu Österreich, die er in dem Brief an Andrássy am Vorabend des Berliner Kongresses ausdrückte, keine leere Phrase, eher eine Bürgschaft für den neuen serbischen Kurs. Tatsächlich hielt Milan an seinem Verspre­chen fest, schlug die neue Politik ein, der er dann bis zum Ende seiner Regierung treu blieb. Viel schärfer als seine Minister überblickte er die in Berlin hinsichtlich des Balkans geschaffene Lage, wo sich nach 1878 das gemeinsame Vorgehen Rußlands und Österreichs nicht mehr aufrechterhalten ließ, sondern sich allmählich eine Abgrenzung der Interessengebiete anbahnte und schon da­mals kein Zweifel bestand, daß Serbien dem österreichischen Einflüsse unterworfen werde. Wenn die beiden Großmächte hier als Konkurrenten oder gar als Gegner auftraten, mußte nach seiner Überzeugung jede unklare

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