Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 199 eine steigende Zurückhaltung auf. Er war sich bewußt, daß sein Anhang im Lande immer mehr zusammenschmolz. Die Folgen des Krieges wirkten sich in ihrer ganzen Schwere erst damals voll aus. Dazu war er genötigt, die unpopulären Verträge auszuführen. Die Opposition griff diese Bindungen Serbiens auch sofort an, um sie als willkommenes Mittel zur Bekämpfung des Ministerpräsidenten und Außenministers zu verwenden. Dabei war die serbische Opposition in ihren Mitteln nicht besonders wählerisch; 1879 hatte sie Ristic vorgeworfen, daß er Verträge mit allen möglichen Staaten abgeschlossen habe, nur nicht den mit Österreich47), 1880, als nacch vielen Mühen der Eisenbahnvertrag unter Dach war, warf sie ihm nun auf einmal vor, daß er Serbien durch diesen Vertrag dem Nachbarstaate ausgeliefert habe und er selbst überhaupt zu Österreich neige48). Er verteidigte sich daher gegen diesen Vorwurf auf die Art, daß auch er durch sein Leibblatt „Istok“ auf Österreich losschlagen ließ49). Daneben erwog er aber auch die Möglichkeit des Rücktrittes50). Er durfte es jedoch nicht darauf ankommen lassen, als Verfechter der Berliner Konvention zu fallen, er, der sein ganzes Leben dem Kampfe um die Selbständigkeit des Landes gewidmet hatte. „Ich erkenne ganz gut“ — sagt er im August über die Handelsvertragsverhamdlungen — „die Wichtigkeit unseres Einverständnisses mit Österreich-Ungarn, und ich bin gewiß der Letzte, der hiezu nicht rathen sollte, aber weiter als meine Überzeugung kann ich nicht gehen.“ Und auf die Angriffe der ungarischen Presse, die ihn wegen seiner Starrheit den „russischen Knecht“ nannte, erwiderte er: „Ich glaube, daß man hierüber sowohl in Wien wie in Budapest im Klaren sein sollte, daß ich weder der russische Knecht, noch der ungarische Diener bin; ich bin eben nur Serbe und wahre die serbischen Interessen so gut ich es eben verstehe und das sollte mir Niemand übel nehmen.“ Der Sekretär der österreichischen Gesandtschaft in Belgrad verstand denn auch, daß derartige Presseangriffe Ristic nicht schaden, sondern im Gegenteil nur nützen, für ihn Propaganda machen konnten, weil er in diesem Falle als Hüter der serbischen Rechte dastünde51). Innenpolitischer und außenpolitischer Druck hatten also zusammengewirkt, daß er nicht mehr ohne Prestige-Verlust zurückweichen konnte. Der Fürst, der nach der September-Besprechung mit Haymerle durch drei Wochen mit Ristic verhandelte, um ihn in der Meistbegünstigungsfrage zur Nachgiebigkeit zu bewegen, scheiterte mit seinen Bemühungen. Bei der darauf folgenden Demission der serbischen Regierung, die Haymerles ultimative Forderung (17. X. 1880) nach Anerkennung des Meistbegü»sti- gungsrechtes verursacht hatte 52), war wohl für Ristic auch mitbestimmend, daß er sich dadurch dem neuen, österreichischen Kurs des Fürsten entzog. Er war aber bereit — so hörte es wenigstens Herbert — seinem Fürsten als Oppositioneller keine Schwierigkeiten zu machen53), soferne ihn die Gegner nicht zwingen würden, seine serbische Loyalität durch Angriffe auf Österreich zu beweisen.