Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
198 Ferdinand Hauptmann nicht beschleunigen wollte, waren bei Haymerles prinzipieller Zustimmung die Möglichkeit einer dahingehenden österreichisch-russischen Abmachung und der eventuelle Vollzug der Vereinigung immerhin in die Nähe gerückt. In diesem Falle mußte aber Österreich trachten, seine Position auf dem westlichen Balkan .ungeschmälert zu erhalten und sie womöglich noch zu verstärken4'2). Deshalb drang Haymerle im Gespräch mit dem Fürsten Milan, zehn Tage nach Friedrichsruh, auf eine klare und präzise Antwort. „Nun scheine mir unsere Politik an einen kritischen Punkt gelangt und wir müssen endlich wissen, ob wir es mit einem freundlich oder feindlich gesinnten Nachbar zu thun haben werden __“ 43). Jetzt stand die Angel egenheit auf Biegen oder Brechen. Gab Eistic die geforderte Erklärung, dann waren die weiteren Verhandlungen verbürgt; verweigerte er sie, dann stand Serbien vor einem Zollkrieg mit Österreich. Der Fürst und Ristic wußten das ganz genau und was diesen betraf, so scheute er auch nicht vor einem Zollkriege mit der Nachbarmonarchie zurück. Dieser erschien ihm sogar bis zu einem gewissen Grade nicht unwillkommen, um Serbien aus der wirtschaftlichen Einseitigkeit zu befreien44). Die damalige serbische Intelligenz vertrat nämlich die Auffassung, daß der Staat sein größtes Augenmerk dem Gewerbe und der Industrie zuzuwenden habe. Bisher sei die unselbständige politische Stellung Serbiens Schuld daran gewesen, daß diese Zweige der wirtschaftlichen Tätigkeit unentwickelt geblieben waren, da man sie vor der auswärtigen Konkurrenz nicht hatte schützen können. Deshalb wurde die 1878 erlangte Selbständigkeit auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus freudigst begrüßt und ein Zollkrieg nicht besonders gefürchtet. Die Sperrung der österreichischen Grenze würde zwar momentan den Städtern Schwierigkeiten bereiten, weil ihre Handelsbeziehungen über Nacht abbrechen würden, aber die ungesättigte Nachfrage würde der einheimischen Industrie und dem Gewerbe zu einer schnellen Entwicklung verhelfen. Allerdings war es dabei fraglich, wie die Bauern — der Großteil der Bevölkerung — einen Zollkrieg vertragen würden. Jedoch das Hauptaugenmerk dieser Gruppe war darauf gerichtet, die wirtschaftliche Selbständigkeit, die von Österreich bedroht war, auf diese Weise zu sichern45). Ristic hatte sich angeblich schon 1878 teilweise zu den Anschauungen von der Schädlichkeit der Berliner Konvention offen bekannt und sich damit getröstet, daß bis zum Handelsverträge mit Österreich noch ein weiter Weg sei, wobei man noch vieles ändern könnte48). Sein weiteres Verhalten hatte auch gezeigt, daß er es verstand, sich Österreich gegenüber in eine möglichst gute Position zu versetzen. Knapp vor Beginn der Handelsvertragsverhandlungen in Wien hatte er zum Finanzminister wieder den schärfsten Gegner Österreichs, Vladimir Jovanovic, ernannt. Er hatte zwar noch nicht den Bruch mit Österreich bezweckt, ihm mußte es ja vor allem um den Vertrag zu tun sein, aber der scharfe Ton Österreichs einerseits und innenpolitische Rücksichten andererseits legten ihm