Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 197 Serbien bei solcher Auffassung nur mit irgend einem kleinen Lande, etwa Mexiko, einen Vertrag zu schließen und demselben einige günstige Positionen zuzugestehen, so würden England, Italien sowie die anderen Mächte, mit denen Serbien einen Vertrag geschlossen hat, in den Genuß dieser Vorteile treten und wir davon ausgeschlossen sein. Die serbische Regierung beabsichtige nicht weniger als die Basis unserer ganzen handelspolitischen Stellung zu Serbien uns zu entziehen und glaube hiemit ein Pressionsmittel für die Handelsvertrags-Verhandlungen zu gewinnen; das sei zu viel — Geschicklichkeit, wir werden uns diese Basis nicht entziehen lassen ..37). Die Schwäche der serbischen Argumentation bestand darin, daß sich der tatsächliche handelspolitische Zustand von 1864 an nur durch Nichtbeachtung der bestehenden Verträge ausgebildet hatte. Durch Quellennachweise diese Auffassung zu stützen, war deshalb nur ein diplomatisches Verlegenheitsmittel von äußerst geringem Werte. Die Behauptung Ristic’, schon der Pariser Vertrag hätte Serbien die freie Regelung der Handelsbeziehungen zugestanden, oder sein Versuch, dem 62er Vertrage Widersprüche zu unterschieben, bereiteten demnach Haymerle keine Schwierigkeiten; sogar die conditions actuelles ließen sich zum mindesten auch im entgegengesetzten Sinne deuten. Haymerle eignete sich probeweise selbst die serbische Auffassung der conditions actuelles an, derzufolge diese den tatsächlichen Zustand des Jahres 1878 bedeuten sollten — und warf die Frage auf, ob nicht dieser Status im Verhältnis zu Österreich durch die plötzliche Verweigerung der Meistbegünstigung geändert worden sei, da doch Serbien von 1864 bis dahin den Import aller Staaten gleichmäßig behandelt hatte und erst ab 14. VII. diese Behandlung Österreich verweigerte. Hatten also die tatsächlichen Zustände in Serbien dem Vertrage von 1862 auch nicht entsprochen, so war doch nach Haymerles Meinung das gute Recht Österreichs nicht verjährt, da den serbischen Eingriffen die Anerkennung der Mächte versagt geblieben war38). Allein, Haymerle erwartete umsonst eine Antwort der serbischen Regierung auf seine Einwände. Ristic versuchte nur, den Rechtsstreit vom Handelsverträge zu lösen39). Als dieser Versuch scheiterte, verließen die serbischen Delegierten Wien, legten aber Wert darauf zu betonen, daß ihre Abreise durchaus nicht als Abbruch, sondern nur als Unterbrechung der Verhandlungen aufzufassen sei40). Mit der selben Taktik hatte Ristic schon bei den Eisenbahnvertragsverhandlungen Österreich hingehalten, ihre Wiederholung beim Handelsverträge nochmals zuzulassen, war Haymerle nicht mehr gesonnen, umso weniger als die allgemeine Lage zur Eile trieb. Gerade in dieser Zeit fand nämlich seine Unterredung mit Bismarck in Friedrichsruh statt (4. und 5. IX. 1880), wo letzterer als warmer Befürworter eines neuen Drei-Kaiser-Bündnisses auftrat41). Rußland war es dabei hauptsächlich um das österreichische Einverständnis zur Vereinigung Bulgariens mit Ostrumelien zu tun. Obwohl es die Vereinigung damals noch