Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
170 Ferdinand Hauptmann Eisenbahn keineswegs einem österreichischen Unternehmen zu übergeben 162). Für eine solche Konzessionierung waren eine Zeit lang auch Eistic und Alimpic gewesen 163). Das Bild von der Bedrohung Serbiens durch die Okkupationspolitik der Monarchie malte Tornielli „mit vieler Überzeugungskraft“, indem er es zur Alternative zuspitzte, Serbien müsse sich gefaßt machen, langsam von Österreich aufgesogen zu werden oder sich beizeiten nach auswärtigem Schutz umzuschauen164). Die Taktik dieses Diplomaten bestand demnach darin, dem Fürstentum mit den Gefahren des weiteren österreichischen Vordringens Schrecken einzujagen, um es dadurch Allianzprojekten geneigter zu stimmen165). Unter diesen Verhältnissen entbehrt das Gerücht nicht gewisser Wahrscheinlichkeit, Tornielli habe sich an Ristic mit dem allerdings erfolglosen Verlangen gewendet, für den Fall eines italienischösterreichischen Zusammenstoßes die Hilfe Serbiens zu sichern166). Graf Corti, der italienische Botschafter in Konstantinopel, bestätigte seinem österreichischen Kollegen, Zichy, offen, daß Tornielli „die Tendenz der Gruppierung der Fürstentümer der Balkan-Halbinsel unter russischem Protectorate verfolge“ und Italien durch die eigenen Agitationen in Albanien die Stellung der Türkei noch weiter schwäche167). Die Nachricht über das angebliche italienische Bündnisangebot an Serbien entstammte einer englischen Quelle und fiel zusammen mit der anderen über die Allianzversuche Rußlands in Italien168). Deshalb nahmen sowohl England wie Österreich energisch dagegen Stellung. Am 31. Oktober hatte Herbert zum ersten Mal darüber nach Wien berichtet, am 3. November ließ Haymerle schon das englische Kabinett um eine entsprechende Intervention in Rom bitten, „da ja doch die italienische Regierung für die Umtriebe ihrer diplomatischen Vertreter verantwortlich sei, ohne Rücksicht darauf, ob sie nun solche Instructionen wirklich gegeben oder bloß sich unverläßlicher Organe bedient“ 169). Jedoch schon vor diesem österreichischen Ansuchen hatte Salisbury aus eigenem Antriebe in Rom seine warnende Stimme in schärfster Weise erhoben und bereitete sich vor, diesen Schritt in Kürze inoffiziell wiederholen zu lassen, um die italienische Regierung aufmerksam zu machen, „daß sie sich dem von ihr beliebten In- triguenspiel in friedlichen Zeiten wohl verhältnismäßig straflos hingeben könne, daß aber im Falle von europäischen Complicationen Italien sich den größten Gefahren aussetze“ 17°). Dieser Ton stimmte ganz mit den Worten überein, die er im gleichen Monat vor dem deutschen Botschafter, Grafen Münster, gebrauchte; er versicherte damals, in Rom in Anbetracht der möglichen italienisch-russischen Allianz erklärt zu haben, „daß Italien in einem solchen Falle England zum Gegner haben werde“ m). Die italienische Regierung hatte jedes Mitwissen in dieser Angelegenheit entschieden in Abrede gestellt, zweifelte sogar an der Stichhältigkeit der erhobenen Vorwürfe, mußte aber doch von Haymerle gewissermaßen als Nachspiel dieser ganzen Affäre den Vorwurf einstecken, daß Umtriebe,