Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 171 ob mit oder ohne Kenntnis der italienischen Regierung, den Eindruck her- vorrufen müßten, daß Italien die kleinen Balkanstaaten gegen Österreich aufstachle. In schonender Form, als ob Tornielli alles ,auf eigene Faust unternommen hätte, sagte Haymerle dem italienischen Gesandten in Wien, er zweifle nicht, daß Minister Cairoli sich bemühen werde, Tornielli an seine politischen Weisungen im Sinne der Erhaltung des Friedens im Oriente zu binden; ziemlich deutlich werdend, fügte er hinzu: „En s’inspi- rant de ce principe, l’Italie prouvera a tout le monde qu’elle n’a pas le desir de susciter de nouvelles questions et eile enlevera ä tel parti russe qui voudrait tenir la question d’Orient toujours ouverte, l’illusion de trouver toujours un appui pour l’occasion qui lui conviendra“ 172). Dem Ministerium Cairoli war es in der Folge anscheinend gelungen, Tornielli streng an seine Instruktionen zu binden, denn, wie Italien auch selbst allmählich zu Österreich hinschwenkte, so hörte man auch von Tor­nielli nichts mehr Sensationelles. Er verhielt sich auf seinem neuen Buka- rester Posten sehr zurückhaltend und wo er hervortrat, geschah dies nur, um etwa die deutschen Forderungen (Eisenbahnfrage) zu unterstützen 173). Das energische Zugreifen Österreichs in der italienischen Angelegenheit hatte somit die Wirkung nicht verfehlt und war gewiß bis zu einem ge­wissen Grade den Erfahrungen zuzuschreiben, welche die Monarchie auf dem Balkan in ähnlichen Fällen gemacht hatte. Das Intermezzo zwischen dem serbisch-türkischen Waffenstillstand (Herbst 1876 bis Februar 1877) und dem erneuten Eintritt Serbiens in den Krieg (1. XII. 1877) bot ge­nügend Beispiele, wie die serbische Regierung auf die auswärtigen Ein­flüsterungen reagierte. Lediglich die Fürsprache der Großmächte hatte Serbien 1876 vor gänzlicher Vernichtung gerettet. Während der Zeit bis zur Wiederaufnahme des Krieges war die Stimmung des Volkes entschieden dem weiteren Kriege abgeneigt. „Die Aufregung im Lande (wegen der Möglichkeit des erneuten Kriegsausbruches) soll, übereinstimmenden Nach­richten zufolge, eine derartige sein, daß es nur eines entschlossenen und einflußreichen Führers bedürfe, um dieselbe zur offenen Empörung an­zufachen. War im Vorjahre auch stellenweise eine gewisse Begeisterung für den Kampf mit der Türkei vorhanden, und derselbe mit Enthusiasmus begrüßt worden, so ist dies heuer nirgends der Fall und allgemeiner Tadel trifft die Entschließungen der Regierung“ 174). Und trotzdem hatte die serbische Regierung schon kaum einen Monat nach dem Waffenstill­stand in Petersburg ihre Mithilfe beim neuerlichen Kriege angetragen 175) und als dieser tatsächlich bevorstand, wurde auch „die Stimmung in den hiesigen politischen Kreisen eine immer zuversichtlichere und ... eine übermüthige“. Unter solchen Umständen war man in Belgrad sogar geneigt, aus gelegentlichen Jagdausflügen des Fürsten mit dem deutschen Vertre­ter auf eine Unterstützung der serbischen territorialen Wünsche durch Deutschland zu hoffen176).

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