Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 169 diesem Lande die Juden gegenüber serbisierten Griechen und Zinzaren weit zurücktraten. Gleich zuvorkommend, ja einschmeichelnd zeigte er sich in der Frage der Konsularjurisdiktion und der Kapitulationen. Er betrachtete seine Mission in Belgrad als „durchaus freundschaftlich“, weshalb „er vermeiden mußte, eine Angelegenheit zu behandeln, die den Serben sehr unangenehm sein könnte“. Da er sich wiederholt dahin äußerte, die Frage der Kapitu­lationen bestünde für Italien nicht155), hatte er bald die Regelung dieser Fragen gesichert und am 26. November konnte Herbert schon berichten, daß die betreffenden Konventionen der Skupstina vorgelegt seien158). Dieses zuvorkommende und schmeichelnde Vorgehen des Italieners konnte die Wirkung nicht verfehlen — Tornielli wurde bald Liebkind der serbischen Regierung. Bald sah man ihn als Gast an der fürstlichen Tafel, wo er sich „besonderer Aufmerksamkeit seitens Ihrer Hoheiten wie der übrigen Anwesenden zu erfreuen gehabt“ hat157), bald wieder wußte man, daß er und Ristic Briefe wechselten, die in überschwenglichen Worten Beteuerungen über das intime Verhältnis zwischen Serbien und Italien ent­hielten 158). Das Haus des Außenministers war ihm selbst dann offen, wenn Ristic für andere Diplomaten wegen Krankheit unerreichbar war. Jeder­mann wußte, daß die Konventionen zwischen Serbien und Italien keine so schwierigen Verhandlungen voraussetzten, die lange Besprechungen, außer mit dem Justizminister, auch noch mit dem Außenminister notwendig ge­macht hätten159). War es deshalb ein Wunder, daß man Torniellis Tätig­keit auf andere Weise zu erklären suchte, durch Verbindung mit dem auf­tauchenden Plane eines Balkanbundes? Von politischen Umtrieben Italiens auf dem Balkan lief schon im Früh­jahr 1879 eine Nachricht in Wien ein; sie betraf die italienischen Agitationen in Albanien, deren Auf tauchen der. Großvezier mit der Aussichtslosigkeit Italiens in der tunesischen Angelegenheit in Verbindung gebracht hatte160). Obwohl die damalige isolierte Lage Italiens keine aktive Außenpolitik erlaubte, so nützte dieser Staat doch den engen Spielraum, der sich ihm bot, in seiner Art gründlich aus. Unter dem Deckmantel der italienischen Uneigennützigkeit hatten sich Tornielli die wichtigsten Türen in Serbien geöffnet. Was er hinter diesen sprach und tat, konnte niemand mit Sicherheit erfahren. Die Vermutungen brachten ihn aber in Kürze mit dem Balkanbund in Zusammenhang. Das Selbstgefühl der serbischen Regierungskreise hatte sich mit dem Auftreten Rußlands gehoben, und die Hoffnungen, die man nebenbei auch in Tornielli setzte, waren von Anfang an sehr hochgespannt161). Das Vorgehen des Italieners war übrigens sehr geschickt; der Hebel wurde bei dem serbisch­österreichischen Verhältnis angesetzt. Die Gefahr eines Umschlingens Ser­biens durch Österreich mache es dem Fürstentum nicht ratsam, Österreich auch in der Eisenbahnangelegenheit noch weiter nachzugeben. Deshalb empfahl Tornielli als uneigennütziger Warner, die Konzession zum Bau der

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