Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

164 Ferdinand Hauptmann Frage offen zutage: hier gingen mit den Russen meistens die Franzosen und Italiener115). Italien wirkte außerdem in Rumänien im Sinne der Selbständigkeitsbestrebungen auf allen Gebieten, gleichviel ob sie Juden­emanzipation oder Eisenbahnangelegenheit oder Konsular j urisdiktion hießen116). Im Verlaufe dieser Arbeit wird noch gezeigt werden, daß Italien ebenso in Serbien wirkte. Schließlich hatten sich aber doch Paris und Rom den russischen Werbungen verschlossen, von denen etliches auch schon zu Salisburys Ohren gedrungen war117). Frankreich ließ sich von dem Unternehmen in Afrika nicht .ablenken, während Italien „einen Augen- blickt geschwankt hat und erst durch Englands Drohung und Frankreichs friedliche Haltung sich von diesem Abenteuer abhalten ließ“ 118). Alle diese Erscheinungen stellten Bismarck vor die Notwendigkeit, sich mehr um den österreichischen und englischen Rückhalt zu bemühen. Daß dieses Vorgehen eine noch größere Vereinsamung Rußlands bedeutete, und sich in den orientalischen Kommissionen höchst unliebsam auswirkte, be­dauerte Bismarck selbst. Die dann eintreffende russische Bitte, wieder den Vermittler zu spielen, wies Bismarck im Sommer 1879, gewitzigt durch die Erfahrungen nach dem Berliner Kongreß, energisch zurück119). „Wir haben uns auf die ganze orientalische Frage nur aus Gefälligkeit für Rußland eingelassen ... Da diese Hingebung für uns eine undankbare ist, so tritt unsere frühere Interessenlosigkeit für den Orient wieder ein ... Im übrigen haben wir von Anfang an erklärt, daß wir allem zustimmen würden, worüber sich Österreich und Rußland einigen und in Ermangelung dieser Einigung uns enthalten würden“ 12#). Man spürt es diesen Worten nach, wie Bismarck sich äußerst schwer und nur schrittweise mit der Möglichkeit eines endgültigen Verlustes des russischen Bündnispartners vertraut machte. Einstweilen zog er nur theoretisch die Konsequenzen: „Wir bedauern diese Lage der Dinge, aber dieselbe drängt mir täglich die Frage auf, ob ich meinem Kaiser gegenüber die Verantwortlichkeit für eine Politik tragen kann, bei welcher wir auf jede andere Anlehnung als die russische verzichten und in die Lage kommen, daß unsere vollständige Isolierung für die Zukunft nur von Rußlands Willen abhängt...“ 121). Die Betrachtungen über die russische Fehlpolitik, die er auch als ein „mit Grazie zu variierendes Thema“ 122) teilweise in der Presse behandeln ließ, trugen aber gar nicht bei, die ungünstige Stimmung des Zaren zu beeinflussen. Der Brief, den der Zar seinem Onkel auf dem deutschen Kaiserthrone im August 1879 schickte123), löste bei Bismarck nur die Reaktion aus, deren Möglichkeit er schon im Juli aufgeworfen hatte. „Nur russische Drohungen in der Presse oder gar aus dem Munde des Kaisers Alexander können uns nötigen, diese Unparteilichkeit zwischen beiden Nachbarn aufzugeben, aber gewiß nicht zugunsten der drohenden Seite“124), was sich dann im Abschlüsse des deutsch-österreichischen Bündnisses ver­wirklichte. Die in verhüllter Form angekündigte deutsch-österreichische Intimität wirkte beim Zaren ernüchternd. Hatte zwar die Pressehetze schon

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