Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 165 nach der Zwei-Kaiser-Zusammenkunft in Alexandrovo (3. IX. 1879) nach­gelassen, so sah auf einmal der bisher so mißgestimmte Zar in dieser An­näherung „die Rückkehr zu jenem vollkommenen Einverständnis der drei Kaiser, das Europa die größten Dienste geleistet hat“, und erbot sich sofort, auf den Berliner Posten einen Mann seines Vertrauens, also der Drei- Kaiser-Richtung zu entsenden125). Von Belgrad aus verfolgte man das Auf und Nieder der europäischen Politik, besonders der russischen, mit größter Wachsamkeit, da man sich von einem Wiedereintritt Rußlands in das politische Kräftespiel eine größere Ellbogenfreiheit gegenüber Österreich erhoffte. Vorderhand war man aber serbischerseits auf Rußland noch schlecht zu sprechen, da das russische Befürworten der bulgarischen Wünsche in den Grenzkommissionen sehr enttäuschte. Nach deren Beendigung ergab sich aber die Gelegenheit zur Wiederaufnahme der engeren Beziehungen und zwar im gemeinsamen Widerstreben gegen ein österreichisches Vordringen in den Sandak. Der Erfolg blieb nicht aus, denn österreichischerseits sah man schon im Sommer 1879 Rußland an einer Wiederbelebung der Beziehungen zwischen den einzelnen Balkanstaaten tätig. Die ersten Anzeichen einer größeren Aktivität Rußlands auf dem Balkan zeigten sich schon in der ersten Hälfte des Jahres 1879, als Herbert laufend über russische Treibereien berichtete. Den Auftakt bildete noch 1878 die Nachricht, daß Rußland seinem diplomatischen Vertreter in Belgrad den Rang eines Ministerresidenten verliehen hatte, während man sich in den serbischen Kreisen der Erwartung hingegeben hatte, daß Österreich damit anfangen würde 126). Ein anderes Mal lag wieder der Grund des Schreibens in der unvermuteten Ankunft Cemajevs, dann tauchten Gerüchte über geheime russisch-serbische Beziehungen auf 127), und nicht zuletzt bekam, äußerst bezeichnend, nicht der Fürst, sondern die Fürstin einen russischen Orden 128). Das zielbewußte Eingreifen Rußlands in die gegenseitigen Beziehungen der Balkanstaaten fing bei dem Verhältnis zwischen Serbien und Monte­negro an und zwar damit, daß der russische Vertreter in Belgrad, Persiani, die Wahrung der montenegrinischen Interessen in Serbien übernahm. Da zu dieser Zeit (21. IV. 1879) auch der österreichisch-türkische Vertrag über das Vorrücken in den Sandak von Növi Pazar abgeschlossen wurde, mußten sich „trotz der alten Rivalität und trotz des Mißtrauens, welches zwischen Serbien und Montenegro herrscht... beide Theile jetzt im Ge­fühle des Widerstrebens gegen ein weiteres Vordringen der k. und k. Truppen begegnen. Auf diesem Terrain kann die russische Agitation im gegenwärtigen Momente ohne Zweifel Berührungspunkte in den Ansichten und Gefühlen der Serben wie der Montenegriner auffinden, beleben und ausbeuten“ 129). Abgesehen von dem serbisch-nnontenegrinischen Verhältnis wurde aber auch die Neuordnung der Beziehungen zwischen Serbien und Bulgarien

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