Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 151 reichisch-serbischen Vertrag und ergänzende Abmachungen der Vierer­kommission aufzuteilen. Er wiederholte deshalb die Forderung nach schleunigstem Zusammentritt der Vertreter aller vier Mächte, wie es nach seiner Meinung der Text der Konvention und die Kongreßbeschlüsse for­derten 37). So stand nun Österreich eigentlich dort, wo es angefangen hatte... Die Erbschaft, welche der neue Außenminister Heinrich Freiherr von Haymerle (8. X. 1879) von Andrássy hier übernahm, war eine „recht traurige und verwickelte“ 38). Er sah sich einem Streit gegenüber, der den Staatsinteressen großen Schaden zufügen konnte, denn die eigene Un­schlüssigkeit über die Handelspolitik und die Anschlußlinie, damit im Zusammenhang die Passivität bei den Eisenbahnvertragsverhandlungen, drohte den fremden Einflüssen in Serbien Vorschub zu leisten. Bulgarien wollte keinen Anschluß bei Pirot geben, sondern eher die Strecke Sofia— Vidin ausbauen und von dort den Anschluß an die Staatsbahn suchen, wodurch eine der österreichischen Einflußnahme auf dem Balkan entzogene Linie entstanden wäre. Italien wollte angeblich von Durazzo aus eine direkte Verbindung mit Serbien suchen39). Rußland wiederum bemühte sich, aus strategischen Erwägungen den Bau einer Linie Ruscuk—Sofia— Custendil durchzusetzen 40). Russischer, italienischer und englischer Einfluß waren in Belgrad tätig, um zu verhindern, daß eine östereichische Gesell­schaft den Eisenbahnbau in Serbien bekäme41), und russische Firmen, angeblich unterstützt vom slavischen Comité aus Moskau, bemühten sich selbst, den Bau und Betrieb der serbischen Bahnen in ihre Hände zu brin­gen42), während die Staatsbahn nicht energisch aufzutreten vermochte, da ihre Anschlußlinie nicht sicherstand. Die Entscheidung über die unga­rische Anschlußlinie zog sich in das Jahr 1880 hin 43), und als sie zugunsten der Strecke Budapest—Zemun ausfiel, welchen Bau demzufolge auch nicht die Staatseisenbahngesellschaft erhielt44), zog diese ihre Bewerbung in Belgrad zurück. Dadurch verlor Österreich den Bau und möglichen Betrieb der serbischen Bahnen und trachtete in der Folgezeit nur noch, den ser­bischen Bahnbau wenigstens einem ihm günstigen fremden Unternehmen zuzuschanzen 45). Ristic hatte sich auf den vorherigen Zusammentritt der Viererkommis­sion versteift und stellte äußerst geschickt dem österreichischen Drängen die Tatsache gegenüber, daß selbst Österreich noch nicht die genaue An­schlußstrecke bestimmt habe. „Wenn man diesen Äußerungen ruhig ins Gesicht sieht“ — schreibt Konsul Anger — „so kann man ihm (Ristié) wohl einige Berechtigung, die Entscheidung dieser Frage unter Berufung auf unsere eigene Säumigkeit möglichst hinauszuschieben, nicht absprechen, was umso trauriger ist, als wir durch unser fortwährendes Drängen auf eine bindende Erklärung ihrerseits (der serbischen Regierung) ohne diese Frage bei uns selbst zur Entscheidung gebracht zu haben, den Ernst der Sache selbst beeinträchtigen, und wenn bei uns nichts geschieht, es dahin

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