Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
152 Ferdinand Hauptmann bringen werden, daß wir vom Herrn Ristic, der ja nie unser Freund war, einmal gründlich abgespeist werden dürften, da er ja recht gut weiß, daß wir wohl manchmal schreien, aber nicht beißen.“ Anger vermutete, Ristic’ Verschleppungstaktik wäre auf russische und italienische Einflüsterungen zurückzuführen46) und war damit einer Meinung mit den Delegations- Mitgliedern, die von Haymerle verlangten, den Serben die Hoffnung auf Unterstützung im Auslande zu zerstören47). b) Der politische Hintergrund. Nach 1868, als das Einvernehmen der Völker und Staaten auf dem Balkan in Brüche gegangen war, entfiel für den einzelnen Staat jede Möglichkeit, den Nachbar vertraglich zu binden, was bei der einseitigen Bevorzugung einzelner Staaten durch die Großmächte den Wettkampf der Balkanstaaten um den überwiegenden Einfluß auslösen mußte. So wachte Serbien „eifersüchtig darüber, daß der rumänische Nachbar nicht in irgend einer Beziehung Vorsprung erhält“, und Belgrad berührte es äußerst unangenehm, als der Fürst von Rumänien sich mit Erlaubnis der Mächte im Jahre 1878 den erhöhten Titel „königliche Hoheit“ zulegen konnte. Dieser Schritt regte sofort den gleichen Wunsch bei den Serben an und es wurde dem österreichischen Vertreter in Belgrad wiederholt betont, „daß die Serben sich auf gleiche Stufe stellen wollen mit den Rumänen“ 48). Es war vorauszusehen, daß sich die nächste Skupstina-Session dieser Frage bemächtigen werde49). Der ganzen politischen Richtung Österreichs lag es ferne, sich auf diese Weise und in diesem Augenblicke vor solche vollendete Tatsachen stellen zu lassen. Schon einmal, im Jahre 1876, war diese Frage offen aufgeworfen worden, als General Cernajev in der serbischen Armee bei Deligrad am 16. IX. den Fürsten Milan zum König ausrufen ließ. Der Fürst und sein Außenminister versicherten zwar damals den fremden Vertretern, daß sie nicht geneigt seien, diesem Akte Folge zu leisten, besonders da der General im Vorhinein vom Fürsten das Verbot zur Königsausrufung erhalten hatte50); sie unternahmen jedoch nichts dagegen trotz des energischen Drängens seitens der Monarchie und der Mißbilligung Rußlands, da der Fürst den unersetzlichen Armeekommandanten und damit die ganze Armee während des Kriegszustandes nicht vor den Kopf stoßen konnte51). An- drássy ließ den Fürsten aufmerksam machen, „daß wir... wenn dem Fürsten der Königstitel aufoktroyiert werden könnte, in die unangenehme Lage kämen, Ihm nicht die Unterstützung gewähren zu können, die wir Ihm zu gewähren wünschen.“ Für Ristié, den damaligen Außenminister, war auch ein Passus bestimmt: „In gleicher Weise wollen Euer fürstliche Gnaden (Wrede) auch Herrn Ristic sprechen und im Falle seine Äußerungen Ihnen nicht positiv genug scheinen, entschieden zu verstehen geben, daß wir den Königstitel auf keinen Fall anerkennen würden und durch dessen