Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

148 Ferdinand Hauptmann Tarife hätte kümmern brauchen. Indem Serbien auch dritten Staaten keine niedrigeren Tarife, als sie für die Monarchie galten, zubilligen hätte kön­nen, hätte Österreich auch den serbischen Handel mit dritten Staaten unter seiner Kontrolle gehabt, und sein eigenes Wirtschaftsgebiet um das Für­stentum Serbien vergrößert. Wäre nun Österreich trotz der günstigen Ta­rife noch immer im Nachteil, so hätte es die Freiheit, ausnahmsweise Tarif - ermäßigungen, die es im eigenen Gebiete seinem Handel zugestehen würde, auch für seinen Handel mit Serbien, und den Transitverkehr von der serbischen Regierung zu verlangen. Da diese Bestimmungen indes für Serbien voraussichtlich unannehmbar waren, wäre ihm ja doch nur die Freiheit des inneren Handelsverkehrs geblieben; so bestanden die Kon­ferenzmitglieder wenigstens auf den Bestimmungen hinsichtlich der Tarife für dan Verkehr Serbiens mit dritten Staaten, während die Tarifsätze fűi­den Verkehr der Monarchie mit Serbien und im Transit über Serbien ent­fallen sollten 18). Ungelöst blieb aber damals und auch in der Folgezeit die ungarische Anschlußstrecke. Der Anschluß an die serbischen Bahnen war bei Zemun- Belgrad sichergestellt; die Verbindung mit Budapest aber wünschte Ungarn durch eine neue Strecke direkt von Budapest herzustellen, Österreich hin­gegen durch die Staatsbahnlinie von Kikinda abwärts 1#). Das ungarische Projekt war vielfach durch fiskalische Interessen bedingt, indem die unga­rische Regierung es schon 1875 nicht erlauben wollte, daß eine private Gesellschaft — und die österreichische Staatseisenbahngesellschaft war eine solche — eine Strecke besitze, die das ganze Reich der Länge nach durch­zöge. Dadurch sei den übrigen Eisenbahnen die Konkurrenz erschwert und die projektierte ungarische Linie Budapest—Zemun lahmgelegt. Außerdem war es das Bestreben der ungarischen Regierung, langsam das Eisenbahn­netz in die eigenen Hände zu bekommen ä<)). Das Staatsbahnprojekt dagegen war insoferne von großem Werte, als sich in diesem Falle die Staatseisenbahngesellschaft auch um den Bau der serbischen Bahnen angenommen hätte. Tatsächlich verhandelte sie seit 1878 laufend in Belgrad mit guten Aussichten21). Österreich hätte auf diese Weise die serbischen Bahnen — vorausgesetzt, daß die Staatsbahn auch den Betrieb der serbischen Bahnen erhalten würde — in das weite Netz seiner Eisenbahnen einschließein können. Die Staatseisenbahngesell­schaft konnte jedoch nicht mit definitiven Anträgen in Belgrad hervor­treten, da sie noch nicht der rückwärtigen Verbindung sicher war. Abgesehen von dieser einen ungelösten Frage, die aber nicht allzu ge­fährlich war, da ja der Anschlußpunkt Zemun sicherstand, hatten die übri­gen Eisenbahnangelegenheiten keine besonderen Schwierigkeiten gemacht. Nicht so die Vorbereitung für die Handelsvertragsverhandlungen. Schon im Februar 1879 hatte Chlumecky sich darüber folgendermaßen geäußert: „Es wird bei dem Mangel jedes sicheren Anhaltspunktes über die Richtung und die Ziele des Vertrages eine längere Dauer und langsamer Gang der

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