Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 147 er nochmals im Februar 1879 eine dringende Mahnung an beide Handels­minister, die Vorarbeiten aufzunehmen und schleunigst durchzuführen9). Der Delegierte Neuwirth behauptete, lediglich Ungarn trage die Schuld an der bisherigen Verzögerung10), und der österreichische Handelsminister Chlumecky behauptete dasselbe, betonte noch obendrein, daß er seine Be­reitschaft für die Vorverhandlungen schon längst kundgegeben habe und für eine weitere Verzögerung die Verantwortung nicht mehr übernehmen könne11). Andrássy bestritt in den Delegationen die angebliche Schuld Ungarns und gab als Grund die vielseitige Beschäftigung beider Regie­rungen an, sowie die Umwälzungen in der Handelspolitik, die einer raschen Festsetzung der Grundprinzipien nicht gerade förderlich seien. Die ent­scheidende Stellungnahme in der Handelspolitik hänge von den Verträgen mit den großen Staaten, Deutschland, Frankreich und Italien ab 12). Über diese Rücksichten bietet die österreichisch-ungarische Zoll- und Handelskonferenz, die im März 1879 unter Vorsitz Schwegels zusammen­trat, um endlich die Verhandlungen mit Serbien vorzubereiten, genauere Auskunft. Beim ersten Anlauf führte sie zu keinem Erfolg, da sie sich mach kurzer Zeit wegen der Meinungsverschiedenheiten über das Vertrags­verhältnis mit Serbien vertagte13). Nach einmonatiger Unterbrechung nahm die Konferenz ihre Arbeit wieder auf. In der Eisenbahnfrage war ein verhältnismäßig rascher Verlauf der Besprechungen verbürgt, da ein Konventionsentwurf der ungarischen Regierung bereits vorlag14). Die Konferenzmitglieder hielten damals noch an dem Standpunkt fest, daß der vereinbarte dreijährige Termin für den Ausbau der serbischen Bahnen einzuhalten sei, obwohl bereits ein Jahr untätig vergangen war. Nur im Notfälle wollte man sich auf eine Verlängerung einlassen, aber höchstens bis Ende 1882 16). Die ungarische Regierung wünschte deshalb den baldig­sten Beginn der Verhandlungen mit Serbien, ohne Rücksicht auf den Ein­wand Ristic’, wonach Serbien die Eisenbahnfrage mit der gleichzeitigen Sicherung der bulgarischen und türkischen Anschlüsse verbinde16). Neben den technischen Stipulationem war großer Wert auf die Tarif­frage gelegt worden. Österreich-Ungarn konnte lediglich hiedurch Vorsorge treffen, daß das serbische Absatzgebiet durch Eröffnung der Eisenbahn seinen Waren und nicht fremden erschlossen werde. Das wünschte die Konferenz durch die Bindung der serbischen Tarife zu erreichen, indem diese im Warenverkehr mit Serbien, ebenso im österreichischen Transit­verkehr durch Serbien, den ungarischen Tarifen entsprechen sollten. An­dererseits sollte Serbien dritten Staaten keine günstigeren Tarifsätze, als die mit Österreich vereinbarten, gewähren17). Durch die Abhängigkeit der serbischen Tarife von den ungarischen hätte die Monarchie eine Sichei'heit erhalten, die in ihrer Wichtigkeit für das wirtschaftliche Leben nicht zu unterschätzen wäre. Die Stetigkeit der Eisenbahntarife und dadurch bis zu einem gewissen Maße auch der Handelsbeziehungen wäre nach Mög­lichkeit verbürgt gewesen, da man sich ja rnur um die Höhe der eigenen 10*

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