Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
146 Ferdinand Hauptmann Serbien und Zollbündnis. Er vertrat die Meinung, daß Österreich auf den Ausbau der serbischen Anschlußlinie nach Saloniki nur drängen solle, wenn das Zollbündnis mit Serbien zustande käme. In diesem Falle würden die einheitlichen österreichisch-ungarisch-serbischen Zollsätze ein wirksames Hindernis gegen das Eindringen fremder Waren nach Serbien bieten. 4. Der Eisenbahnvertrag. a) Die ersten Enttäuschungen. Beeindruckt von der Wichtigkeit, die Österreich dem sofortigen Abschluß einer Konvention in Berlin beigelegt hatte, sowie durch den knappen Termin für den Beginn der Verhandlungen1), unternahm Ristic von Belgrad aus sofort die vorbereitenden Schritte. Die serbische Regierung bemühte sich, in Paris eine Anleihe für den Bau der Eisenbahnen zu bekommen, leitete die Besprechungen mit fremden Baugesellschaften ein 2), bestimmte ihren Vertreter für die bevorstehenden Verhandlungen mit Österreich3), und berief die besten Ingenieure aus Wien, Prag, Zagreb, um sich mit den Fragen der neuen Eisenbahnen zu befassen4). Nur bei Österreich war nichts dergleichen zu bemerken! Es stellte sich bald heraus, daß das wirtschaftliche Programm Österreichs für den Orient tatsächlich nur in groben Zügen auf den Blättern der Berliner Konvention enthalten war. In Wirklichkeit aber stieß schon der Versuch, die Basis für die Verhandlungen mit Serbien durch die beiden Reichshälften festzulegein, auf die größten Schwierigkeiten. Es vergingen so tatsächlich der Herbst und Winter 1878, denn Andrássys wiederholte Mahnungen an die beiden Handels- und Verkehrsminister, endlich die Grundlage für die Vertragsverhand- lungen festzulegen, können doch nicht als ein Schritt vorwärts betrachtet werden 5). Der Grund dafür ist zum Teil in der Tatsache zu suchen, daß in Österreich das Ministerium Auersperg seit 1878 eigentlich nur inoch provisorisch die Geschäfte führte6), ferner daß die orientalische Politik Andrássys, gekrönt durch die Okkupation von Bosnien, auf erbitterten Widerstand sowohl in Österreich, als auch in Ungarn gestoßen war7). Den nachhaltigsten Einfluß auf die Verzögerung spielten jedoch wirtschaftliche Erwägungen. Der Handelsvertrag mit Serbien schien wichtiger zu sein als der Eisenbahnvertrag, beziehungsweise dieser ließ sich so nebenbei abschließen. So dachte auch Andrássy vor allem an den Handelsvertrag, der nach seiner Ansicht schon darum leichter Zustandekommen könnte, da hier nur Österreich mit Serbien allein zu beraten hatte. Jedoch wünschte er auch gleichzeitig in der Eisenbahnangelegenheit vorläufige Vereinbarungen zu treffen, damit ein Hinausschieben der Verpflichtungen ausgeschlossen wäre8). Von der Überzeugung ausgehend, daß beide Reichshälften prinzipiell mit der durch die Konvention vorgezeichneten Liinie einverstanden seien, richtete