Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 143 Umfrachtung von Budapest und Wien direkt nach Konstantinopel gebracht werden können. Durch die neuen Verkehrswege wollte sich Österreich den Zugang zum nordöstlichen und südlichen Teil der Halbinsel wieder eröffnen, von denen es im Laufe des XIX. Jahrhunderts allmählich zurückgedrängt worden war. Österreich hatte seit 1830 eine Schiffahrtslinie auf der Donau unterhalten, doch in dieser Richtung nicht weitergearbeitet, während seit den 50er Jahren durch das Mündungsgebiet der Donau in immer größerem Ausmaße fremde Schiffe in dieses wirtschaftliche Reservat Österreichs eindrangen. Nur die Regulierung des Eisernen Tores konnte die Konkurrenz der englichen und französischen Schiffahrt ausgleichen 30). Ebenso ungünstig hatten sich die Verkehrsverhältnisse auf dem Lande entwickelt. Österreich baute zwar die Eisenbahnlinien bis Orsova, Kikinda und Sisak, aber alle drei Linien blieben Rumpf bahnen, ohne Anschluß. Gleichzeitig konnte die fremde Konkurrenz wiederum vom Meer aus, von Konstantinopel und Saloniki, dank den türkischen Eisenbahnen, ihre Waren leichter in das Innere des Balkans vortragen, als Österreich31). Das türkische Eiseinbahnnetz war nämlich 1869 unter ursprünglich für Österreich durchaus günstigen Aussichten in Bau genommen worden, denn es sah eine Strecke von Konstantinopel über Nis, Sarajevo, Banjaluka bis zur österreichischen Grenze vor, mit einem zweiten Anschluß an die ungarischen Bahnen über Belgrad, sowie noch eine Abzweigung von Nis nach Saloniki. Dieses für Österreich vorteilhafte Netz wurde jedoch 1872 dahin geändert, daß man vorläufig den Bau auf die Strecken Konstamtinopel—Sarambey und Saloniki—Mitrovica beschränkte, wodurch Österreich keinen Anschluß bekam, während die seefahrenden Mächte leicht vom Süden Vordringen konnten82). Die Gefahr bestand nicht nur in der Verschiebung des Anschlußtermins, sondern auch darin, daß dadurch das österreichische Programm des Eisenbahnbaues umgeworfen werden konnte. Schon seit den 70er Jahren inämlich bemühte sich Österreich, den Anschluß an die türkischen Bahnen über Serbien zu sichern. Nun bestand aber bei der Türkei zeitweise die Absicht, den Anschluß an Österreich nicht über das unbotmäßige Serbien zu suchen, sondern über Bosnien und Vidin, wodurch Serbien vom internationalen Verkehr auf lange Zeit ausgeschlossen worden wäre. Österreich bekämpfte dieses Vidiner Projekt aus verschiedenen Gründen33), ebenso das einer Verbindung Bulgariens mit Makedonien und Saloniki über Sofia—Öustendil—Skoplje, mit welchem dem russischen Vordringen nach Makedonien der Weg geebnet worden wäre34). In der Tat gelang es 1875, den ursprünglichen Plan wieder zu beleben 35). Der Ausbau der serbischen Teilstrecke (Nis—)Aleksinac—Belgrad(—Zemun) war auch fast schon sichergestellt36), aber die orientalischen Wirren verzögerten die Verwirklichung des Planes. So mußte Österreich bis 1878 schrittweise vom Balkan zurückweichen. Zuerst räumte es vor der fremden Konkurrenz