Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

140 Ferdinand Hauptmann den Abmachungen den Beweis, daß Österreich Serbien damit auf Kosten des russischen Einflusses in seine Sphäre einbeziehe, dadurch aber würde Serbien des russischen Gegengewichtes, das es nötigenfalls gegen Österreich ausspielen könnte, verlustig werden. Er stand also vor der Alternative, entweder auf die österreichischen Vorschläge einzugehen und damit die Aussicht auf territoriale Vergrößerung noch über die Grenzen von San Stefano zu erringen, oder -aber durch Weigerung selbst das Maß von San Stefano in Frage zu stellen 19). Die Entscheidung hing von seiner Beurtei­lung der Rolle ab, welche Österreich auf dem Kongreß spielen werde. Darüber blieb er nicht lange im Zweifel. Peter Suvalov und Saint-Vallier rieten ihm wiederholt, sich mit Österreich zu verständigen, da Serbien inur Erfolg haben könne, wenn es sich mit Österreich ins Einvernehmen setze. Suvalov ermahnte ihn, nicht nur zur Verständigung mit Österreich, sondern auch nichts zu unternehmen, was dem Grafen Andrássy mißfallen würde. Über Bismarck hörte Ristic, daß dieser die Befriedigung aller österreichi­schen Wünsche anstrebe, und was die übrigen Mächte, England und Italien betraf, so war Letzteres zwar den Serben wohlgesinnt, doch spielte es in Berlin keine wichtige Rolle, während England die Serben vollkommen den Österreichern überließ. Sein Eindruck war deshalb, daß alle Staaten sich bemühen, Österreich zu befriedigen. „Der Schwerpunkt unserer Sache liegt bei Österreich. Dieses kann unsere Gebietserwerbungen auf ein unbedeuten­des Minimum herabdrücken, gleichwie auch erlauben, daß sie die Grenzen des Friedens von San Stefano überschreiten. Alles hängt von der Ab­machung ab, die wir mit ihm schließen“ 20). Da Andrássy bzw. Schwegel in Berlin die Verhandlungen nicht sofort aufnahmen, wartete auch Ristic die Entwicklung der Lage ab und bemühte sich, mittlerweile bei den Russen und Österreichern gegen die Benach­teiligung Serbiens an der Ostgrenze zu wirken. Es handelte sich vor allem um die Kreise von Tm und Pirot, die die Russen für die Bulgaren in An­spruch nahmen. So sagte Ristic den Russen: „Wenn uns die Österreicher aus Növi Pazar jagen, seid ihr nicht imstande, uns zu schützen, und wenn diese uns eine Entschädigung bieten, seid ihr wieder dagegen. Speziell auf diese Entschädigung aber kommt es uns soviel an, daß wir sie um jeden Preis bekommen müssen, und es ist eure Schuld, je teurer wir sie erkaufen müssen. Denn Österreich-Ungarn sieht, daß es wegen euren Widerstandes den Schlüssel unserer südöstlichen Grenze besitzt und läßt deshalb von seinen schweren Bedingungen nicht nach. Genug gab es schon Fehler. Der Friede von San Stefano sprach fast ganz Altserbien den Bul­garen zu. Jetzt ist die Gelegenheit, die Fehler auszubessern und nicht den Zankapfel zwischen zwei verwandten Völkern zu lassen und die Erinne­rungen, welche imstande wären, das serbische Volk Rußland zu entfrem­den ... Übrigens glaube ich ... ihr werdet als Russen auch wichtigere Aus­einandersetzungen mit den Österreichern noch zu bereinigen haben, und in diesem Fall ...wird es sich zeigen, daß Serbien mehr gilt

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