Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)
HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881
138 Ferdinand Hauptmann besonders das österreichische Eintreten für Pirot lebhafte Befriedigung hervor, da dieser Kreis von den Russen für Bulgarien gefordert wurde. „Auf meine (Wredes) Bemerkung, daß wir hingegen auf die Einbeziehung Novi Pazar’s in die neue, serbische Grenzlinie aus dem Grunde nicht einwilligen können, weil dadurch die Kontinuität der künftig zu erbauenden Eisenbahnlinie auf einem und demselben Staatsgebiete unterbrochen und der Verkehr auf derselben wesentlich erschwert würde, antwortete mir Seine Durchlaucht, daß er auf die Erwerbung Novi Pazar’s • durchaus keinen Werth lege und sehr gerne bereit sei eine Entschädigung hiefür in anderer Richtung anzunehmen“ 12). Wrede entwickelte darauf gewissermaßen als Preis für diese Unterstützung ein umfassendes wirtschaftliches Programm, das mit dem Bau einer Verbindungsbahn durch Serbien anfing, wobei man den Betrieb der Compagnie générale d’exploitation des chemins de fer de laTurquied’Europe unter Baron Hirsch übergeben sollte, die bereits den Betrieb der türkischen Bahnen besaß; daneben kündigte Wrede den Wunsch nach handeis- und zollpolitischen Abmachungen an. Der Fürst, wie auch Ristic,waren von diesen Eröffnungen sehr befriedigt, da Serbien auf wirtschaftliche Abmachungen ohnehin, früher oder später, angewiesen war, sie aber hier sozusagen als Kompensation für die Unterstützung seiner territorialen Wünsche durch Österreich verwerten konnte. Beruhigend wirkte es auch, daß Österreich keinen Wert auf den Abschluß einer Militärkonvention legte. Fürst Milan gab infolgedessen Wrede „motu proprio die bündigste Versicherung, daß seine Abneigung gegen eine Militair-convention keinesfalls in der Absicht begründet sei, jemals seine Truppen gegen Österreich-Ungarn zu verwenden; er wolle nur seine Unabhängigkeit wahren, und wenn er auch zu Anfang des letzten Feldzuges durch die Umstände gezwungen, militärische Abmachungen mit Rußland getroffen habe, so hätten dieselben nur eine passagere Bedeutung gehabt, und würde er niemals einwilligen, in ein bleibendes militärisches Verhältnis zu jener Macht zu treten.“ Gleichzeitig bemerkte er: „On me croit et on me dit généralement entiére- ment devoué aux intéréts russes, mais je puis vous assurer que cela n’est nullement le cas et que je tiens avant tout ä me conserver ma pl eine liberté d’action.“ Ristic fügte noch hinzu, daß er sich in nächster Zeit nach Wien zu Besprechungen mit Andrássy begeben wolle13). Noch vor Beginn des Kongresses dort angekommen, überbrachte er vor allem ein Schreiben seines Fürsten an Andrássy, in dem es im Vertrauen auf das bewiesene Wohlwollen Österreichs hieß: „qu’ä Toccasion du réglément definitif de la question orientale au Congres j’ose compter sur Fappui bienveillant du Gouvernement de Sa Majesté l’Empereur et Roi pour assurer ä mon pays, en mérne temps que l’indépendance, l’extension que réclament les conditions indispensables pour sa prosperité“ 14). Andrássy versicherte daraufhin: „je ne considere-