Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

HAUPTMANN, Ferdinand: Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878–1881

Österreich-Ungarns Werben um Serbien 1878—1881 137 bischen Angelegenheiten haben werde3). Ristic hatte tatsächlich schon im Februar in dieser Hinsicht bei Wrede mit gutem Erfolg sondiert4), sein Wiener Vertreter berichtete im März über ein Gespräch mit Andrássys Intimus, Baron Orczy, woraus er folgerte, daß sich Österreich der Selb­ständigkeit und der geplanten mäßigen Vergrößerung Serbiens nicht entgegenstellen werde5), und schließlich bot der österreichische Kampf gegen das russische Großbulgarien die geeignete Plattform für die serbisch­österreichische Annäherung. Je mehr und je erfolgreicher Österreich in der bulgarischen Angelegenheit war, desto besser vertrat es zugleich die Inter­essen Serbiens. Ristic erzählte dem Fürsten Wrede, daß die serbischen Vertreter bei den Friedensverhandlungen mit der Türkei den Auftrag hätten, für die Gewinnung Altserbiens zu arbeiten, und wenn das nicht möglich sei, dieses bei der Türkei zu lassen, nur damit es nicht an Bulgarien falle6). Es klingt unglaublich, daß derjenige Staat, der den Kampf gegen die Türkei eröffnet hatte, nun als Sieger seinem Gegner Gebiete zu erhalten suchte. In diesem Sinne war es von großer Bedeutung, daß Österreich das Gleiche anstrebte. Denn indem es die bulgarische Westgrenze im eigenen Interesse zurückzuschieben suchte, mußte der Riegel fallen, der bis dahin drohte, das junge aspirationslustige Serbien jeder Aussicht auf weitere Ausdehnung nach Süden zu berauben. Österreich schob ohnedies die Serben selbst in südöstlicher Richtung, seitdem es im Spätherbst 1877, gemäß seiner Vereinbarungen mit Rußland, der Ausdehnung der serbischen mili­tärischen Operationen westlich der Drina entgegengetreten war7). Serbien hatte damit seinen langgehegten Wunsch nach Einverleibung Bosniens aufgeben oder wenigstens aufschieben müssen und blieb während des Krieges an der bosnischen Grenze in der Defensive, während es offensiv, den natürlichen Wegen folgend, nach dem Süden, Altserbien zu, vordrang 8). Der serbisch-österreichischen Annäherung war somit auf dieser Linie schon vorgearbeitet worden. Deshalb konnte man in Belgrad auch den Verlust des Sandaks von Növi Pazar, der Serbien in San Stefano zuge­sprochen, von Österreich aber abgesprochen wurde, leichter verschmerzen, da man hoffte, dafür eine angemessene Gebietsentschädigung im Süden oder Südosten zu erhalten D). Der Aufenthalt des Generals Ignatiev während seiner europäischen Pilgerfahrt in Wien versetzte die serbischen Regierungskreise in lebhafte Beunruhigung, da sie über die Besprechungen lange im Unklaren blieben. Fürst Milan drückte sich damals vor dem englischen Vertreter schon in dem Sinne aus, daß er bereit sei, auf handelspolitischem Gebiete Österreich weit entgegenzukommen, dagegen verwarf er aber die aufgetauchte Idee einer Militärkonvention 10). Erst nach einem guten Monat Wartezeit gab ihm Österreich die nötigen Aufklärungen. Wrede war vorher in Wien gewesen, um den Boden für die Besprechun­gen des serbischen Außenministers mit Andrássy zu ebnen11). Als Wrede in Belgrad über die territoriale Entschädigung Serbiens berichtete, rief

Next

/
Thumbnails
Contents