Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 5. (1952)

BENNA, Anna Hedwig: Preces Primariae und Reichshofkanzlei (1559–1806)

96 Anna Hedwig Benna heit kreisenden Fragenkomplexes52). Josef I. unterließ nach dem Tod seines Vaters, dem Beispiel seines Vorgängers folgend, die Entsendung einer Obödienzgesandtschaft. Damit unterblieb selbstverständlich auch die Ausstellung eines päpstlichen Indultes, das der Kaiser wohl entbehren konnte, da die Geheime Konferenz der Meinung war, daß „weder von eines zeitliches pabsts arbitrio noch von der solennen legation der observanz dependieren sonder altes herkomen sey und eynen römischen kayser als fundatorem successori patrono advocato et protectori omnium ecclesiarum imperii Romano-Germanici ex inveterata consuetudine zukomme und von einigen kaysern inter regalia et reservata gezehlet worden seye“ 53). Die Mitglieder der Geheimen Konferenz hielten es für opportuner auf die Erteilung der Preces zu verzichten als eine Obödienzgesandtschaft nach Rom zu entsenden, um in den Besitz eines Indults zu gelangen54). Um sich nicht an seinem Recht zu verschweigen, wie die Geheime Konferenz im Fall der Nichtausübung des Erstbittrechtes befürchtete55), stellte Josef I. weiter Bittbriefe aus. 1706 erließ Clemens XI. ein Verbot an das Dom­kapitel Hildesheim, die im päpstlichen Monat vakant gewordenen Pfründen mit kaiserlichen Prezisten zu besetzen, 1707 ergingen Mahnschreiben an die Bischöfe von Konstanz, Augsburg und Basel um sie zum Einschreiten gegen die kaiserlichen Prezisten zu ermuntern56). Kardinal Paolucci er­klärte in einem Schreiben an den Nuntius von Köln die vor Erlangung des päpstlichen Indults ausgestellten Bittbriefe für ungültig57). Dazu liefen noch in Wien Nachrichten von Weigerungen verschiedener Kapitel ein, die ermuntert durch die Weisungen von Papst und Kardinal Paolucci der Effektuierung der kaiserlichen Bitten Schwierigkeiten in den Weg leg­ten58). Die Geheime Konferenz beschloß einen Protest in Rom und erwog die Preces Angelegenheiten vor den Reichstag zu bringen, obwohl man damit rechnen mußte, daß von seiten der geistlichen Kurfürsten und Fürsten wenig Unterstützung zu erwarten sei59). Ein Reichshofratsgut- achten erwog die Anwendung der Temporaliensperre für renitente Ka­pitel 60). Die Geheime Konferenz beschloß die Preces unter allen Umständen durchzusetzen und die in den Poenformeln der Bittbriefe angekündigten 5'2) Dazu die bei Hugo Hantsch, Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn 1674—1746 (Salzburger Abh. und Texte aus Wissenschaft und Kunst 2, 1929), S. 382, angegebene Literatur. 5S) Votum der Geheimen Konferenz 1705 Juni 19, PP. 22. 51) Ibidem. 55) Ibidem. 56) Feine, a. a. O., S. 76, 77. 57) Votum der Geheimen Konferenz 1707 Februar 5, PP. 22. 58) Ibidem. 50) Ibidem. 60) Gutachten des Reichshofrates Hewel (mit Korrekturen von Schönborn) PP. 22.

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