Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 4. (1951)

SANTIFALLER, Leo: Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs

Die älteste Originalurkunde des Österreichischen Staatsarchivs 29 inhalt, den eigentlichen Kern der Urkunde: Cuius petitioni libenter adsensum praebuimus (Z. 5) bis proficiat in augmentum (Z. 11). Die Schlußformel des Kontextes ist die Korroboratio, die Ankündigung der Beglaubigungsmittel der Urkunde: Et ut haec (Z. 11) bis signari iussimus (Z. 12). Das Eschatokoll enthält die beiden Unterschriftszeilen, die Signum- und die Rekognitionszeile, und die Datierung mit dem Schlußwunsch, der Apprekatio, feliciter amen. 2. Herkunft und Entstehung, Diktat, Stil, Sprache, Vorlagen. Das Diktat1), d. h. die gesamte Textgestaltung einer Urkunde, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: die eine Komponente bilden die Vorlagen, u. zw. Formulare, d. h. Musterbeispiele für das Entwerfen von Urkunden, und Vorurkunden, d. h. wirklich aus­gestellte Urkunden, die bei einem späteren Beurkundungsgeschäft als Vorlage für die Urkundenherstellung gedient haben. Die zweite Komponente ist der persönliche Stil des Konzipisten. Bei der Behandlung der inneren Merkmale haben wir stets zu scheiden zwischen dem Gesamtprotokoll, bestehend aus Protokoll und Eschatokoll einerseits und dem Kontext anderseits, denn die Fassung beider Gruppen wird durch jeweils andere Umstände bestimmt 2). Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Entstehung beider Gruppen: der Kontext hängt jederzeit vom Rechtsinhalt der Urkunde ab, während das Gesamtprotokoll sich unabhängig davon entwickelt. Die in unserer Urkunde vorkommenden Teile des Gesamtprotokolls begegnen schon in den Merowingerdiplomen und zeigen zunächst geringe Änderungen. Erst unter den Karolingern, unter denen sich das Urkundenwesen überhaupt schnell entwickelt und mannigfach entfaltet, modifizieren sich auch die einzelnen Teile des Gesamt­protokolls in häufigem Wechsel und in verschiedener Weise. Sie wechseln nicht allein beim Regierungsantritt jedes neuen Herrschers, sondern auch beim Beginn neuer Regierungsperioden; andere Ände­rungen werden vorgenommen, wenn die Leitung der Kanzlei in andere Hände übergeht, kleinere Modifikationen erlauben sich wohl auch die einzelnen mit der Ausfertigung betrauten Notare und Schreiber 3), *) Vgl. Santifaller, Urkundenforschung, S. 28—31. 2) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 208 ff. s) Vgl. Sickel, Acta 1, S. 210.

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