Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift

KRAUSE, Wilhelm: Kosmas der Aetoler und seine Prophezeiungen

408 Wilhelm Krause I. Prophezeiungen über Ali Pascha *). Es handelt sich um zwei Prophezeiungen, die Kalyvopulos in folgendem Zusammenhang von seinen Gewährsleuten hörte: „Als der Heilige in das Dorf Tepeleni kam, wurde er von der Volksmenge empfangen. Unter dieser Menge befanden sich auch Muselmänner. Inmitten dieser Menge war auch die Muselmännin Chamko mit ihrem Sohn Ali. In der Seele der Chamko war kein gläubiges Gefühl* 2). Sie war aus Neugierde mitten unter die Menge geraten, drängend und vorstoßend befanden sich die beiden einen Augenblick dem Heiligen gegenüber. Die Chamko sah, wie sich die Kinder der Christen vor dem Heiligen in Ehrfurcht beugten und seinen Segen empfingen. Sie schaute unbeholfen auf ihren Sohn Ali 3). Der hl. Kosmas fühlte seit vielen Stunden eine seelische Erschütterung, ein Unbehagen, und er konnte nicht begreifen, was in ihm vorging. Sein gütiger Blick begegnete den bösartigen und blutgierigen Blicken der Chamko und des Ali. Sofort erkannte er den Tyrannen von Joannina, den Henker der Vasiliki4) und so vieler unschuldiger Christen und sich an Chamko wendend sagte er: 1. „Der Ali wird Pascha und Vezir von Joannina werden.“ Als Chamko und Ali diese Worte des Heiligen hörten, freuten sie sich sehr. Ihre gierigen Augen funkelten. Ali würde Pascha, Vezir, ') Ali Pascha, geb. 1740 oder 1741, hatte nach abenteuerlichem Leben als Bandenführer 1766 die Herrschaft in Tepelene an sich gerissen, wurde 1787 Pascha von Trikkala, durch Handstreich 1788 Pascha von Janina, 1789 von Arta, 1803 Statthalter von Rumelien und war seit 1807 fast unabhängig von der Pforte. 1822 fand er, auf der kleinen Insel im See von Jananin eingeschlossen, den Tod; vgl. Hertzberg, a. a. O., IV, S. 256—264. Borchgrave, a. a. O., S. 55 berichtet, ein Derwisch habe dem jungen Ali ein Leben von 150 Jahren und großen Erfolg vorhergesagt. Es scheint sich hier um die muselmännische, bei Kosmas um die christliche Tradition der Tatsache zu handeln, daß für die Entwicklung des Ali eine Weissagung ausschlaggebend war. 2) Ausführlich über Chamko und ihr rachsüchtiges und geldgieriges Wesen, Borchgrave, S. 55 f. 3) Hier ergeben sich zwischen der Angabe des Kalyvopulos, Kosmas sei 1777 in dieser Gegend gewesen, und dem Alter des Ali, der bereits 1766 die Herrschaft von Tepelene an sich gerissen hatte, Unstimmigkeiten. 4) Ali Pascha hatte den Befehl gegeben, als er keinen Ausweg zur Rettung mehr sah, seine Lieblingsfrau Vasiliki, eine Griechin, zu erdrosseln, damit sie nicht in die Hände seiner Gegner falle. Sie wurde jedoch nur schwer verwundet und konnte gerettet werden. Sie starb 1830 in Stambul (Borchgrave, a. a. O., S. 73). Wer aber heute die Insel besucht, hört, daß die „Aufständischen“ Ali Pascha und seine Geliebte durch lange Spieße, die durch die Ritzen des Fuß­bodens gestoßen wurden, ermordet hätten.

Next

/
Thumbnails
Contents