Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 3. (1950) – Leo Santifaller Festschrift

Sehr geehrter Herr Generaldirektor! An diesem Tage, den geziemend zu begehen sich die wissenschaftliche Welt in seltener Einhelligkeit zusammengeschlossen hat, darf auch das Österreichische Staatsarchiv nicht fehlen, um einer Ihrer reichsten Seiten die gebührende Würdigung zuteil werden zu lassen. Seit Sie als Einunddreißig jähriger 1921 die Leitung des neu errichteten Staatsarchivs in Bozen übernahmen und so von Grund auf, unmittelbar nach Ablegung der Institutsprüfung, in die archivarischen Belange hineinzuwachsen Gelegenheit hatten, um so die mehr theoretische Ausbildung am Institut für österreichische Geschichtsforschung praktisch ergänzen und unterbauen zu können, haben Sie in einem nur der Arbeit gewidmeten Leben unermüdlich jene Erfahrungen gesammelt, die im Jahr 1945 den Wiederaufbau und die Reorganisation des bisherigen „Reichsarchivs Wien“ als Österreichisches Staats­archiv erst ermöglichten. Ihrer Umsicht und Ihrem Verständnis ist es gelungen, in verhältnismäßig kurzer Zeit dem gesichtslos gewordenen Komplex den Stempel Ihrer Besonderheit aufzudrücken und zu seiner Neugestaltung die geeigneten Mitarbeiter teils herbeizurufen, teils heranzubilden. Die vorbildhafte Unermüdlichkeit des Herrn und Meisters hat aus einem Gebilde, das der Gefahr langsamen Erstarrens zu einer rein konservierenden Tradition keineswegs unausgesetzt wrar, einen von lebendiger Tätigkeit durchpulsten Bereich gemacht, in dem die individuell verteilten Aufgaben jedem einzelnen Beamten das Bewußtsein mitgeben, zugleich als Eigenwuchs wie als Baustein gewertet zu werden. Dem letzten Sinn eines Archivs aber, das nicht bloß der Bewahrung und Verwahrung dient, sondern das erschließen soll, was es umschließt, dienen auch die seit 1948 ins Leben tretenden Publikationen des Österreichischen Staatsarchivs, darunter die „Festschrift“ und das Faksimile werk „1100 Jahre österreichische und europäische Geschichte“. Sie ziehen gleichsam die bleibende Summe des von Ihnen in diesen Belangen Gewollten und Erreichten, das anläßlich der glanzvollen Feier zum zweihundertjährigen Bestand des Haus-, Hof- und Staats­archivs auch im beweglichen Rahmen der rein menschlichen Beziehungen

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