Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 2. (1949)
WIESSNER, Hermann: Über Behinderungen der Archivarbeit
Wiessner, Behinderungen der Archivarbeit 87 zeichnen, einen Verlust von nahezu 200 handschriftlichen Büchern, die als unwiderbringlich verloren gelten müssen. Als ich vor nicht allzulanger Zeit eine Rundfrage an die Markt- und Gemeindearchive wegen des Zustandes ihrer Archive und eine Übersicht ihrer Bestände an älteren Aktenmaterialen einforderte, lautete in den meisten Fällen die Antwort dahin, daß keines der Archive über Bestände verfüge, die vor 1850 zurückreichen. Diese Tatsache ist ja zum Teil freilich verfassungsmäßig zu erklären, aber ebenso steht fest, daß die während des Krieges wiederholt durchgeführten Altpapiersammlungen mit dem Prämiensystem für die erzielten Gewichte furchtbaren Schaden in archi- valischer Hinsicht angerichtet haben. Es steht außer Zweifel, daß viele Akten der älteren Registraturen diesem Zwecke geopfert wurden. Auch die Errichtung der allenthalben ins Leben gerufenen Heimatmuseen, so förderungswürdig dieser Gedanke im Grunde genommen sein mag, wirkt sich archivalisch ungünstig aus. Einerseits werden dadurch viele alte Schriftstücke, die irgendwo auf den Dachböden und in den Truhen vermodern, aufgestöbert und ans Licht gebracht, das ist das Gute dabei. Weniger wünschenswert ist, daß dadurch dem Landesarchiv eine wichtige Quelle des Ausbaues seiner Sammlungen abgegraben wird. Dies ist auch der Forschung nicht dienlich, weil niemand in diese oft weit entlegenen Orte hinreisen wird. Durch Übersendung der Bestandverzeichnisse wird versucht, diesem Übelstande halbwegs zu begegnen. Schuld an dem Verlust von Archivgut trägt auch die nicht scharf genug präzisierte Gesetzgebung. Das Oberaufsichtsrecht des Landesarchivs über alle archivalischen Sammlungen und Registraturen innerhalb des Landes bedarf einer klareren und präziseren Formulierung. Manche Herrschaften kümmern sich trotz allem nicht um ihre kulturellen Verpflichtungen in bezug auf die Archivalien und halten die Bestände pfleglos. Hier kann nur eine klare Gesetzgebung und die periodische Überwachung bzw. zwangsweise Einziehung der Bestände Wandel schaffen. Die periodische Überwachung der Archive des Landes bedingt freilich eine bessere Dotierung des Zentralarchivs. Viel zu wünschen läßt auch bei Übernahme junger Bestände die Einhaltung der Skartierungsvorschriften. Auch hier begegnen wir auf der einen Seite einem Zuwenig auf der anderen Seite einem Zuviel. Wünschenswert ist die Skartierung durch den jeweiligen Referatsbeamten, der dafür naturgemäß die beste Einsicht mit bringt. Behinderungen von seiten der Benutzer äußern sich zumeist in der Unklarheit der Anfrage, und viele möchten die Archivbeamten zur Durchführung ihrer Privatwünsche benutzen. Das sind alles allgemein bekannte Dinge, über die zu sprechen sich in Fachkreisen erübrigt. Doch möchte ich auf gewisse Unzukömmlichkeiten besonders in der Sparte Familienforschung verweisen, wo sich manche Schwerverdiener eingenistet haben, die Familiengeschichten nach Maschinseiten liefern und dafür hoch bezahlen lassen. Ich halte die Archivbenutzung zu solchen Zwecken für unwürdig und habe einen entsprechenden Riegel vorgeschoben. Wir in Kärnten als einem Grenzlande müssen unbedingt an der fünfzigjährigen Sperrzeit festhalten. Aus vielen Gründen haben wir auch den Legitimationszwang mit Lichtbild eingeführt.