Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 2. (1949)
GOLDINGER, Walter: Epochen des österreichischen Archivwesens
Goldinger, Archivwesen 81 Er übermittelt Ihnen durch mich seine besten Grüße und wünscht Ihnen für Ihre Arbeiten besten Erfolg. Es folgte dann das Referat des Herrn Staatsarchivars Dr. Walter Goldinger über: Epochen des österreichischen Archivwesens. Wenn der Italiener Pistolese in einem Überblick über die Geschichte des abendländischen Archivwesens drei Zeitalter erkennen will: das mittelalterliche, das absolutistische und das revolutionär-moderne, so ist der Blickpunkt nicht ganz glücklich gewählt. Es ist die Sicht des Archivbenützers, von der aus die Entwicklung des europäischen Archivwesens in solchem Lichte erscheinen mag. Die Frage der Zugänglichkeit für wissenschaftliche Forschung wird dabei als daä entscheidende Kriterium betrachtet. Daraus ergibt sich eine gewisse Einseitigkeit. Denn die Archive sind ihrem Werdegang nach primär nicht von der Wissenschaft her bestimmt. Darum ist die Periodisierung, die Löher in seiner 1890 erschienenen Archivlehre mit seinen sieben Zeitaltern der deutschen Archive gibt, so kraus auch seine Gedankengänge vielfach sind, dem Gegenstand weit eher angemessen. Sollen also Epochen des österreichischen Archivwesens umschrieben werden, so ist vorauszuschicken, daß das naturgemäß in Kürze nicht zu bewerkstelligen ist. Es lassen sich bloß Querschnitte an entscheidenden Stellen legen, die geeignete Erkenntnisse vermitteln. Fassen wir etwa den Archivbehelf 332 des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, den sogenannten „Putsch“, ins Auge, so tritt uns in seiner Anlage sogleich der Terminus „Schatzarchiv“ entgegen, der hier wie anderwärts die älteren Jahrhunderte der Entwicklung bestimmt. Denken wir an Maximilian I., der an der Wende zum Aktenzeitalter steht, dessen Gestalt aber in der Geschichte der österreichischen Archive — auch in ihrer älteren Prägung — einen besonderen Platz einnimmt. Mit seiner Tätigkeit sind auch die beiden Schatzgewölbe in Wien und Innsbruck enge verbunden. Der Schatz ist nun freilich ein Kulturphänomen, von dessen Entfaltung sich die Bibliotheken und Archive mehr und mehr abspalten. Die Verfolgung dieser Linie führt weit stärker in die Geschichte der musealen Sammlungen. Aus den Schatzgewölben mit ihrem sehr komplexen Inhalt werden, soweit es Archivalien betrilft, die Briefgewölbe, die, als Arcana behütet, in der Hauptsache die „Jura“, die Gerechtsame, der jeweiligen Archivträger zu bewahren haben. Daneben entfalten sich die Kanzleiarchive, die im Rahmen der sich immer stärker differenzierenden Verwaltungstätigkeit den administrativen Aufgaben des Aktenzeitalters zu dienen haben, das seit den Tagen Maximilians heraufgezogen war. Legen wir einen Querschnitt etwa um das Jahr 1780 und betrachten wir die Struktur eines Klosterarchivs im Zeitpunkt der j osephinischen Aufhebungswelle, so werden wir auch hier den alten Typ erkennen können. Neben den inneren, den Prälatenarchiven, die die Funktionen der Briefgewölbe zu erfüllen haben, stehen die äußeren, die Hofrichter- und Wirtschaftsarchive, die der grundherrschaftlichen Verwaltung dienen. Auf das staatliche 6