Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 2. (1949)

Festfeier des Österreichischen Staatsarchivs aus Anlaß des 200jährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs am 21. und 22. September 1949

Begrüßung durch den Generaldirektor 35 Das Haus-, Hof- und Staatsarchiv hat sich aber darüber hinausgehend seit Beginn des 19. Jahrhunderts, unter der Direktion des Tirolers Josef von Hormayr, auch selbst aktiv um die Erforschung und Veröffent­lichung der in ihm verwahrten Geschichtsquellen mit stets wachsendem Erfolg bemüht, so daß das Haus-, Hof- und Staatsarchiv heute zugleich auch eine der angesehendsten und bedeutendsten geschichtswissenschaft­lichen Forschungsanstalten nicht nur Österreichs sondern der ganzen Welt ist. Aus der wissenschaftlichen Behandlung und Bearbeitung des Archivs aber erwachsen zwei Elemente von allgemein menschlicher Be­deutung: Das Archiv als Bewahrerin der exakten Geschichtsquellen ver­körpert allgemein menschlich gesehen unser geschichtliches Eigen­bewußtsein, das Geschichtsbewußtsein des Staates, des Volkes und in der Gesamtheit aller Archive der Welt das Geschichtsbewußtsein der ganzen Menschheit, das gute und das schlechte Gewissen der Welt. Eür den einzelnen Staat aber erwächst aus dem Archiv das für den Aufbau und den Bestand des Staates unerläßliche Staatsbewußtsein. Freilich vermögen die tausendjährigen Dokumente vielfach nicht mehr unmittelbar zu uns zu sprechen, Schrift, Sprache, Rechts- und Sachinhalt müssen vielmehr erst mit Hilfe der exakten wissenschaftlichen Methode erschlossen werden und erst daraus kann sich dann ein wirklich wissenschaftliches, der Wahrheit ent­sprechendes geschichtliches Bewußtsein formen. Eine Vernichtung oder auch nur eine Mißachtung und Vernachlässigung der Archive würde die Menschheit ihrer exaktesten und hervorragendsten Geschichtsquellen be­rauben — sie hätte das Versinken des betreifenden Volkes und Staates in die Geschichtslosigkeit zur Folge. Aber noch ein zweites Element von allgemein menschlicher Bedeutung erwächst aus der wissenschaftlichen Bearbeitung der Archive: Trotz liebe­vollster Versenkung in die Geschichte der eigenen Heimat, des eigenen Staates und des eigenen Volkes und trotz der unerläßlichen subtilsten Klein­arbeit und minutiösesten Einzelforschung kennt die wahre Wissenschaft keine Grenzen, sie muß über alle Länder, Völker und Staaten hinaus­gehend, wahrhaft weltumfassend und universal im besten Sinne des Wortes sein. Diese Forderung erfüllt das Haus-, Hof- und Staatsarchiv und die an ihm betriebene Forschungsarbeit in idealster und vorbildlichster Weise. Infolge seiner nahezu die ganze Welt umspannenden Quellenschätze wird das Haus-, Hof- und Staatsarchiv nicht nur von den Historikern Österreichs, sondern von den Geschichtsforschern aller Staaten, Länder und Völker der Erde in Anspruch genommen — von aller Welt werden wissen­schaftliche Auskünfte erbeten und die Gelehrten der ganzen Welt gehen im Haus-, Hof- und Staatsarchiv ein und aus. Und umgekehrt werden für die am Haus-, Hof- und Staatsarchiv und in dem mit diesem in engster Arbeits­verbindung stehenden Institut für österreichische Geschichtsforschung durchzuführenden wissenschaftlichen Arbeiten die Archivschätze der ganzen Welt herangezogen und bearbeitet. Und aus diesem internationalen wissen­schaftlichen Verkehr und aus dieser die ganze Welt umfassenden wissen­schaftlichen Gemeinschaft entwickeln sich persönlich-menschliche Bezie­hungen und Freundschaften — und so bildet daher das Staatsarchiv einen

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