Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 2. (1949)
Festfeier des Österreichischen Staatsarchivs aus Anlaß des 200jährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs am 21. und 22. September 1949
Begrüßung durch den Generaldirektor 33 Bürgermeister der Stadt Wien, die Vertreter der Staats- und Landesbehörden sowie alle übrigen aus dem Auslande und dem Inlande erschienenen Festgäste geziemend zu begrüßen. Der Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten, welcher beabsichtigt hatte, im Rahmen dieser Feier das Wort zu ergreifen, ist zu seinem größten Bedauern durch eine unerwartet eingetretene Dienstverpflichtung am Erscheinen verhindert worden und bittet sein Fernbleiben zu entschuldigen. Im September 1749, also vor 200 Jahren, hat die Kaiserin Maria Theresia durch das „Decretum instructivum“ das Haus-, Hof- und Staatsarchiv begründet. Dies bedeutet aber nicht, daß erst im Jahre 1749 mit der Sammlung und Aufbewahrung der aus dem Geschäftsbetriebe der zentralen Hof- und Staatsbehörden erwachsenen Schriftstücke begonnen worden wäre, daß also die Urkunden und Akten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs nicht über das Jahr 1749 zurückreichen. Die ältesten Teile des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, das uralte an Urkunden und urkundlichen Büchern so unendlich reiche babenbergisch-habsburgische Archiv der Herzoge von Österreich, gehen vielmehr bis ins 11. Jahrhundert zurück — und einzelne, allerdings erst später organisch zugewachsene Gruppen gehören sogar der karolingischen Zeit an und enthalten Stücke, die mehr als 1100 Jahre alt sind. Die Bedeutung des „Decretum“ liegt nun aber darin, daß auf Grund desselben dieses alte, seit der Mitte des 16. Jahrhunderts unbenützt liegende und unbenützbare, also eigentlich erstarrte babenbergisch-habsburgische Archiv durch die Einziehung von Archivalien, vor allem aus Prag, Graz und Innsbruck, sowie durch die in die Wege geleitete Vereinigung mit den bei den verschiedenen neuzeitlichen Zentralbehörden erwachsenen Archivkörpern zu neuem Leben erweckt, zu einem einheitlichen Archiv zusammengefaßt und seither fachgemäß verwaltet und der Benützung zugänglich gemacht worden ist. So wurde durch das Decretum der Kaiserin das Archiv organisch in das System der Gesamtstaatsverwaltung eingebaut. Mit vollem Rechte kann daher das Jahr 1749 als Gründungsjahr und die Kaiserin Maria Theresia als die Gründerin des Haus-, Hof- und Staatsarchivs angesehen werden. Zunächst waren es die Not des Staates und des kaiserlichen Hauses in der Zeit des österreichischen Erbfolgekrieges und der ersten schlesischen Kriege, sowie Gründe der modernen Staatsverwaltung, die zur Errichtung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und zur Führung eines geordneten staatlichen Archivwesens Veranlassung gaben. Und dies ist begreiflich: enthält doch das Staatsarchiv die schriftlich festgelegten Titel der rechtlichen Existenz des Herrscherhauses und des Staates und aller damit zusammenhängenden Institutionen. Bei allen innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Beratungen und Verhandlungen und in allen auftauchenden Rechtsfällen und Rechtsstreitigkeiten können die Rechtstitel und die Rechtsgrundlagen aus dem Staatsarchiv vorgewiesen und produziert werden. So hat das Haus-, Hof- und Staatsarchiv seit den Tagen seiner Gründung zunächst eine ganz hervorragend praktische Bedeutung für die gesamte zentrale Staatsverwaltung — heute in erster Linie für das Bundeskanzleramt und für dessen Abteilung für die Auswärtigen Angelegenheiten. 3