Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)
SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv
4 Jakob Seidl Es ist das Verdienst des bekannten Geschichtsschreibers Venedigs. Heinrich Kretschmayr, als Leiter des Allgemeinen Archivs des Ministeriums des Innern, schon in der alten Monarchie den Gedanken vertreten zu haben, dieses Archiv1) zu einem großen Archiv der österreichischen Zentralverwaltung auszugestalten. Die Notwendigkeit eines solchen erwies sich bald nach 1918, als es aus Ersparungsgründen zur Auflassung oder Zusammenlegung verschiedener Ministerien kam, deren Aktenbestände, soweit sie archivwürdig waren, vom Allgemeinen Archiv des Ministeriums des Innern, das die Bezeichnung „Staatsarchiv des Innern und der Justiz“ erhielt, übernommen worden sind, und wie das Haus-, Hof- und Staatsarchiv, das Hofkammerarchiv und das Kriegsarchiv dem Bundeskanzleramte unterstellt wurde. Leider haben die Hauptbestände dieses Archivs, das vorübergehend im Wiener Justizpalast untergebracht war, nämlich das Archiv der Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei, der Polizeihofstelle, des Ministeriums des Innern, der Obersten Justizstelle und des Ministerratspräsidiums am 15. Juli 1927 beim Brande dieses Hauses schweren Schaden erlitten2). Neben diesen Archiven bestanden bis 1940 noch als selbständige Zentralarchive die bereits erwähnten Archive des k. k. Finanzministeriums 3) und des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht und das Eisenbahnarchiv, welches seinen Wirkungsbereich auch auf das Schiffahrts-,Post-,Telegraphen- und Fernsprechwesen ausdehnte und als „Archiv für Verkehrswesen“4) dem Bundesministerium für Handel und Verkehr unterstellt wurde. Aus verwaltungstechnischen Gründen wurden im Jahre 1923 die wissenschaftlichen Beamten aller Zentralarchive mit Ausnahme der des Kriegsarchivs, dessen Beamte ausschließlich als Archivare ausgebildete ehemalige Berufsoffiziere waren, in einen gemeinsamen, dem Bundeskanzleramt unterstehenden Beamtenkörper zusammengefaßt. Da damals auch das Kriegsarchiv5), welches bereits b Außer meinem oben erwähnten Aufsatz „Das Staatsarchiv des Innern und der Justiz in Wien“ unterrichtet über dieses das 1909 als Nr. I der „Inventare österreichischer staatlicher Archive“ erschienene „Inventar des Allgemeinen Archivs des k. k. Ministeriums des Innern“. 2) Hierüber unterrichten meine Aufsätze „Das Brandunglück im Österreichischen Staatsarchiv des Innern und der Justiz“ in Archivalische Zeitschrift, 37. Bd., S. 184 ff., und „Ordnungsarbeiten im österreichischen Staatsarchiv des Innern und der Justiz“, ebenda, 39. Bd., S. 168 ff. 3) Zu vergleichen: „Inventar des Archivs des k. k. Finanzministeriums“, erschienen 1911 als Nr. II der „Inventare österreichischer staatlicher Archive“. 4) K. Feiler, „Das Archiv für Verkehrswesen in Wien als Forschungsinstitut für mitteleuropäische Eisenbahngeschichte“ in „Die Reichsbahn“, 17. Jg., S. 67 ff. 5) J. Langer, „Das k.u.k. Kriegsarchiv von seiner Gründung bis zum Jahre 1900“.