Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv

Das Österreichische Staatsarchiv 1918 in ein ziviles Institut umgewandelt worden war, verwaltungs­mäßig dem Bundeskanzleramte unterstellt wurde, wurde gewisser­maßen die Keimzelle geschaffen, aus der sich 1940 das Reichsarchiv Wien und 1945 das Österreichische Staatsarchiv entwickelt hat. Die eigentliche Gründung dieser Anstalt wurde, so widersinnig dies erscheinen mag, durch die am 1. April 1940 erfolgte Zerreißung Öster­reichs in Reichsgaue veranlaßt, durch welche Zerreißung die öster­reichische Zentralverwaltung und mit ihr die österreichischen Mi­nisterien zu bestehen aufhörten und es dadurch notwendig wurde, Vorsorge für die gewissermaßen herrenlos gewordenen Zentralarchive zu treffen. Die Sechste Verordnung über die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen des Reichsstatthalters in Österreich (Österreichische Landesregierung) vom 11. Jänner 1940 *) enthielt daher im § 9 (1) folgende Bestimmung: „Die in Wien befindlichen zentralen Archive des Landes Österreich werden dem Reichsminister des Innern unmittel­bar unterstellt und in ein Wiener Reichsarchiv zusammengefaßt.“ Durch diese Zusammenfassung wurde allerdings das Kriegsarchiv nicht betroffen, da dieses bereits 1938 militarisiert und als Heeres­archiv Wien dem Oberkommando der Wehrmacht unterstellt worden war; ebensowenig das Archiv für Verkehrswesen, das der Reichsbahn­direktion Wien angegliedert wurde. Durch die Auflassung der österreichischen Ministerien und der späteren österreichischen Landesregierung ist dem damaligen Reichs­archiv Wien eine ungeheure Aktenmenge zugewachsen, die sich bis dahin nicht in archivarischer Verwahrung, sondern in Verwahrung der einzelnen Ministerien und der ihnen angeschlossenen Dienststellen befunden hatte. Den kleinsten Zuwachs hatte die Abteilung Hofkammerarchiv, welche nur die jüngeren Bestände des österreichischen Rechnungshofes übernommen hat. Sie verwahrt das Archivgut der österreichischen Hof­kammer bis zum Jahre 1820 — die jüngeren Bestände dieser Behörde befinden sich in der Abteilung Finanzarchiv — und die Akten des öster­reichischen Obersten Rechnungshofes aus den Jahren 1762 bis 1918, zu­sammen rund 29.000 Einheiten (Aktenbündel, Schachteln und Bücher). Die Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv übernahm gleich in den Märztagen 1938 die bis März 1938 reichenden Bestände der Ab­teilung Auswärtige Angelegenheiten des österreichischen Bundes­kanzleramtes, die noch bei dieser Stelle befindlichen, bisher dem Archiv nicht übergebenen Akten des ehemaligen k. u. k. Ministeriums des B RGBl. I S. 52.

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