Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 319 Diese Vorhaltungen nahm der Staatskanzler ruhig hin, ohne darauf zu antworten. Da warf ihm der Statthalter schließlich vor '), er hätte die schwierige Lage des verstorbenen Papstes zu wenig ausgenützt und sei auch beim letzten Konklave zu lässig gewesen, so daß er sich habe aus den Händen gleiten lassen, was er bei dieser günstigen Gelegenheit leicht hätte ergreifen und fest halten können. Dadurch habe aber das kaiserliche Ansehen in Rom schweren Schaden gelitten und man müsse daher wirklich befürchten, daß der Widerstand des. Sazerdotiums gegen die Hoheitsrechte Ihrer Majestät immer mehr zunehmen werde, während die bourbonischen Höfe in aller Stille ihre kirchenpolitischen Ziele erreichten. Kaunitz, der zugleich in seinen väterlichen Gefühlen * 2) empfindlich verletzt war, wies solche Vorwürfe ziemlich schloff zurück3) und sprach bei dieser Gelegenheit das stolze Wort, in der Lombardei sei in den letzten drei Jahren in kirchlichen Belangen mehr erreicht worden als früher in eben so vielen Jahrhunderten. Mailand sei außerdem nicht der Ort, von dem aus man die ganze Monarchie so übersehen könne, daß man Ratschläge zu geben imstande wäre, die jeden Zweifel an ihrer Richtigkeit ausschlössen. Damit war die Diskussion über die praktische Durchführung des. staatskirchlichen Systems geschlossen. Die späteren Ereignisse haben dann ja gezeigt, daß diese Vorwürfe und die daran geknüpften Be­fürchtungen, wenigstens in dem Sinne, in dem sie Graf Firmian ge­meint hatte 4), völlig grundlos gewesen waren. 1) FK, 20. Juni 1769. 2) Durch die Vorwürfe Firmians gegen den kaiserlichen Botschafter beim Konklave des Jahres 1769, den Grafen Ernst von Kaunitz, den eigenen Sohn des Staatskanzlers. 3) KF, 3. Juli 1769. 4) Aber nicht in dem Sinne, daß die Kirche in ihren Vertretern den staat­lichen "Übergriffen keinen nennenswerten Widerstand entgegengesetzt hätte. Clemens XIV. nahm die einseitige Festsetzung des Profeß alters für Ordensleute nicht widerspruchslos hin und betonte ausdrücklich, daß ein solches Diktat gar nicht notwendig gewesen wäre, da er für die Gründe der Regierung durchaus Verständnis hätte, wenn sie auch nicht so schwerwiegend seien, wie man vorgäbe. Archiv des Schottenstiftes, 1. cit. Der in Anbetracht der Umstände nicht unbedeutende Erfolg der Wiener Reise Papst Pius VI. wurde schon erwähnt. Seite 295, Anm. 1. Auch Kardinal Pozzobonelli von Mailand hat sich durch seinen Mißerfolg im Jahre 1768 nicht entmutigen lassen und später wiederum Schritte bei der Kaiserin unternommen, die allerdings ebenso vergeblich waren wie die früheren. KF, 2. August 1773, 1. cit, Fasz. 163.

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