Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 313 Monarchen Europas angehe, die in ihm bestraft seien, obwohl er und sie nur die ihnen zustehenden Rechte au^übten. Die Kaiserin billigte daraufhin einen Kollektivschritt der Großmächte beim Heiligen Stuhl1) wegen der gefährdeten fürstlichen Rechte, lehnte aber die Wegnahme päpstlicher Gebiete besonders in Italien ab 2), zumal auch Firmian vor jeder territorialen Verschiebung auf der italienischen Halbinsel eindringlich gewarnt hatte 3). Hingegen hatte aber weder der Staatskanzler noch die Kaiserin etwas dagegen einzuwenden, daß der Herzog von Modena die gute Gelegenheit zur „Zurücknahme seiner fürstlichen Rechte“ 4) im kirch­lichen Bereich benützte. Die verzweifelte außenpolitische Lage des Papstes, die ihn im Verlaufe der Krise zwang, die Vermittlung der österreichischen Regierung anzurufen, und die Politik des Fürsten Kaunitz, die sich zum Ziel setzte, einerseits die Mächte im Interesse des europäischen Gleich­gewichtes am Raube päpstlicher Territorien zu hindern, anderseits aber doch den Papst, auch im Hinblick auf seine Kirchenpolitik in wohltemperierter Sorge zu halten 5), spiegelte sich in der amtlichen Korrespondenz dieser Monate deutlich wieder. Bemerkungen zum 4. Abschnitt vom 6. November 1768 bis 3. Juli 1769. Graf Firmian hatte in seiner Denkschrift über die Exkommuni­kation des Herzogs von Parma keineswegs zum Bruche geraten, sondern einen gangbaren Weg zur Versöhnung angedeutet. Nachdem aber der Staatskanzler seine Entscheidung im anderen Sinne getroffen hatte, stellte sich der Statthalter vorbehaltslos auf den Boden der neuen Tatsachen, ja er war es jetzt, dem Kaunitz bald nicht mehr josefinisch genug sein konnte. Er meint ihn vor den römischen Wie ihn Kaunitz der Kaiserin vorsehlug. Die österreichische Regierung billigte aber dann das tatsächliche Vorgehen der Großmächte, das über diesem Plan des Fürsten weit hinausging, in keiner Weise. Daher unterblieb jegliche^ offizielle Stellungnahme. KF 1768 passim. 2) KF, 15. Juli 1768. 3) FK, 4. Juli 1768. 4) KF, 15. Juli 1768. Mit diesem Ausdruck: ’’Revendicazione ed esercizio dei legitimi diritti“ hätte Kaunitz sicher auch das Wesen des österreichischen Staats- kirchentums bezeichnet. ä) KF, 8. September 1768.

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