Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)
MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770
312 Ferdinand Maaß Kardinals bleiben, der sich die notwendigen Vollmachten auf was immer für eine Weise verschaffen mag“ 1). Die harte Wirklichkeit verscheuchte den wenig angebrachten Optimismus nur zu bald; im April des nächsten Jahres mußte Kaunitz bekümmert feststellen, daß es sehr hart für ihn wäre, wenn er nach so schweren und langwierigen Verhandlungen gar nichts erreichen würde 2). Diese Sorge war nur zu begründet, denn der apostolische Stuhl war auch später nicht dazu zu bewegen, Konzessionen in einem Bereich zu gewähren, der das geistliche Hirtenamt der Kirche so nahe berührte3), daß der wirksame Schutz des katholischen Glaubens und der christlichen Sitte unter den damaligen Umständen und nicht zuletzt bei der Verständnislosigkeit, die der österreichische Staatskanzler und seine verantwortlichen Berater dem kirchlichen Wesen entgegenbrachten, mehr als gefährdet erschien. So war es neben drei anderen kirchenpolitischen Verordnungen dieses Jahres 1767, die eine wahre Vorentscheidung für später darstellten, gerade die Frage der kirchlichen Zensur, die bei der für die römische Kurie so furchtbaren außenpolitischen Situation4) im nächsten Jahre zum grundsätzlichen Bruch eines so viele Jahrhunderte alten freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in Österreich führte, da von 1768 an der österreichische Staat gegenseitige und freundnachbarliche Vereinbarungen im kirchlich-weltlichen Bereich im Prinzip ablehnte und an ihre Stelle das Diktat oder auch Sprache der vollzogenen Tatsachen setzte. Die außerhalb Österreichs sich vollziehenden kirchenpolitischen Ereignisse, die die oben erwähnte Entscheidung des Staatskanzlers so sehr begünstigten, setzten gleich zu Beginn des Jahres mit der Exkommunikation des Herzogs von Parma ein, deren Tragweite Graf Firmian in einer ausführlichen Denkschrift würdigte 5). Kaunitz ging aber weiter und betonte in einem bedeutsamen Vortrag an die Kaiserin 6), daß die Sache des Herzogs von Parma alle 4) KF, 13. Oktober 1766. 2) KF, 9. April 1767. 3) Pastor, Geschichte der Päpste, XVI/1, S. 540, Anmerkung 3: Inhaltsangabe des päpstlichen Breves an Maria Theresia vom 6. Februar 1768. 4) 1. cit., S. 890 ff. 5) Siehe das Mémoire des Grafen Firmian (S. 403 ff.). 6) Alleruntertänigster Vortrag des Fürsten an die Kaiserin vom 20. März 1768. Staatsarchiv, Staatskanzlei, Ah. Vorträge 1768.