Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

308 Ferdinand Maaß Inzwischen hatte aber Rom doch einen der beiden von der öster­reichischen Regierung vorgeschlagenen Kandidaten zum Bischof von Como ernannt, einen würdigen und fähigen Prälaten, der denn auch sofort dem Statthalter seine Vermittlung für den endlichen Abschluß des Konkordates anbot1). Da aber die staatlichen Unterhändler wohl einzelne, die Kirche besonders verletzende Bestimmungen des Mailänder Traktates, nicht aber seine grundsätzliche Behandlung der kirchlichen Immunität und Jurisdiktion preiszugeben bereit waren, gelangten die Verhandlungen auch jetzt nicht zum Ziel2). Die systematische Untersuchung der kirchlichen und staatlichen Verhältnisse in Mailand in längst vergangenen Zeiten war inzwischen rastlos fortgesetzt worden und hatten bedeutsame Ergebnisse gezeitigt, die die Entwicklung der staatlichen und kirchlichen Angelegenheiten nachhaltig beeinflussen sollten. Neben den Mängeln in der rein politischen Verwaltungspraxis wurden auch im kirchlichen Sektor der Staatsverwaltung Zustände sichtbar, die im Sinne der neuen Zeit untragbar waren und daher nicht mehr geduldet werden konnten :t). Da hatte Fürst Kaunitz in der langwierigen Debatte über das Graubündner Amortisationsedikt immer wieder auf die Mailänder Praxis hingewiesen, nach der der kirchliche Eigentümer von Grund und Boden seinen Besitz innerhalb von Jahr und Tag zu verkaufen hatte und jetzt stellte es sich heraus, daß diese Vorschrift zwar immer wieder von Zeit zu Zeit eingeschärft worden war, praktisch aber nur auf dem Papier stand, da entweder vom Mailänder Senate in frei­giebigster Weise Dispens gegeben oder das Gesetz auf andere Weise, direkt oder indirekt, umgangen wurde. Im Jahre 1753 hatte sich Maria Theresia das Dispensrecht, das bisher vom Senate ausgeübt worden war, eigens reserviert. Aber selbst diese Verfügung wurde nicht durch­geführt und der Senat erteilte weiterhin bis zum Jahre 1761 nicht weniger als 79 Dispensen. Und das war geschehen, obwohl der zuständige Finanzmann des Staates dem Senate vorgehalten hatte, daß innerhalb der letzten 30 Jahre von den Geistlichen für diese Dispensen mehr als 37.000 Lire gezahlt worden seien, so daß man den wirklichen Wert der von ihnen erworbenen Güter auf mehr als 4 Millionen Lire veranschlagen müsse. Aber auch diese Summe sei zu niedrig angesetzt, weil die den Mendi- * 2 3 x) Hauptinhalt der Korrespondenz von Mai bis Juli 1765. 2) FK, 29. Juni 1765: Risposta dei sig. cardinale segretario di stato. 3) Vgl. für das Folgende das wichtige Schreiben FK, 20. November 1765.

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