Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 307 den Statuten konnte letztlich für die grundsätzliche Haltung der Kirche nichts, aus den Archiven nur ein tatsächliches stillschweigendes oder auch ausdrückliches Nachgeben nachgewiesen werden, wie es in jedem Konkordat in irgendwelcher Form von der kirchlichen Seite geschieht. Auf keinen Fall konnte aber auch nur die Spur eines Be­weises dafür erbracht werden, daß die Kirche das ausschließliche und souveräne Recht des Staates über den gemischten Bereich, wie es die rationalistische Staatslehre derZeit und mit ihr auch'Kaunitz verfocht, irgendwie und irgendwann anerkannt und bestätigt hätte. Noch viel weniger Glück hatten die österreichischen Staatsmänner bei ihren Nachforschungen, die sie nach einer anderen Richtung hin anstellten. Als nach dem Tode des Bischofs von Como die kaiser­liche Regierung zwei Kandidaten in herkömmlicher Weise als Nach­folger empfahl, wurde ihr von Rom bedeutet, daß man solche Emp­fehlungen in Zukunft nicht mehr berücksichtigen könnex). Ganz: aufgebracht über diesen neuen Affront des päpstlichen Ministeriums schrieb Kaunitz an Firmian, daß vom römischen Hofe nicht bloß kein Entgegenkommen zu erhoffen sei, sondern daß von ihm nunmehr sogar die fürstlichen Rechte direkt bedroht und angegriffen würden. Daher sei es hohe Zeit, die alte Prärogative der Bischofsernennung durch den Mailänder Landesherrn dokumentarisch zu belegen, damit ein landesfürstliches Recht von so eminenter staatspolitischer Be­deutung dem Monarchen nicht widerrechtlich entrissen werdea). Das Ergebnis der Untersuchung, die natürlich unverzüglich an­gestellt wurde, war für Kaunitz wenig erfreulich. Es ergab sich, daß alle seine Vorwürfe leere Deklamationen gewesen waren, da der apostolische Stuhl niemals rechtlich dazu verhalten war, solche landes­fürstliche Vorschläge hinsichtlich bestimmter Bischofskandidaten anzunehmen. Es entbehrt daher nicht der geschichtlichen Ironie, daß der Staatskanzler, der die päpstliche Kurie so leichtfertig be­schuldigt hatte, ”di aver manifestamente invaso i diritti che appartene- vano altrui”, in Ermangelung des eigenen Rechtes das des Papstes dadurch hinfällig machte, daß er den päpstlichen Kandidaten, die dem Staate nicht genehm waren, durch Verweigerung des landes­herrlichen Placets die Besitzergreifung und damit natürlich auch die Regierung ihrer Diözesen unmöglich machte3). Also tatsächlich ’’diritti invasi — ma dal cancelliere di corte e stato!” * 2 3 J) KF, 17. September 1764. 2) 1. cit. 3) Siehe die Anmerkung 2 zu KF, 17. September 1764. S. 354.

Next

/
Thumbnails
Contents