Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 305 Schluß des Konkordates verzögert oder sogar in Frage gestellt wurde. Für den österreichischen Staatskanzler und seinen Statthalter stand die Berechtigung des Ediktes an und für sich gar nicht zur Diskussion. La legge d’ammortizazione dipende dal libero, legitimo e necessario arbitrio del principe territoriale, stellte Kaunitz im Schreiben vom 9. Juli 1764 fest. Daher müsse man den Graubündner Herren be­greiflich machen, daß es nicht um die Substanz des Ediktes gehe, sondern um gewisse Modalitäten, unter denen die wichtigste die sei, daß dem Ledigen Stuhle die Ehre zuerkannt werde, daß die Verfügung erst nach Abschluß des Konkordates, allerdings mit den Mailänder Einschrän­kungen, in Kraft träte. Somit würde gleichsam in der Autorität des Papstes und durch ihn verfügt, was an sich durchaus in der Macht­befugnis der weltlichen Fürsten stehe. Daß es in dieser Frage, von den prinzipiellen Bedenken einer solchen Auffassung ganz abgesehen, für die Kirche doch nicht bloß um den Schein einer zweifelhaften Ehre, sondern auch um sehr reale und sogar vitale Interessen ging, wollte Kaunitz, der auch sonst kirchliche Fragen nie aus dem religiösen, sondern immer nur vom rein politischen Bereich her beurteilte, nicht wahrhaben. Für ihn ist alles klar und die strittigen Fragepunkte sind so eindeutig im Sinne des Staates zu entscheiden, daß Rom begründete Schwierigkeiten eigentlich gar nicht erheben kann. Einzig und allein die in Vorurteilen ganz befangene Denkweise der gegenwärtig amtierenden römischen Minister, vor allem aber des päpstlichen Staatssekretärs, läßt den Kanzler Opposition in jeglicher Form, ermüdende Abschweifungen in den Verhandlungen und sonstige Schwierigkeiten befürchten. Er will aber sein Bestes tun und hofft trotz allem, daß er doch zu schwarz gesehen hat1). Je länger sich aber die Verhandlungen hinzogen, desto klarer wurde es, daß bei so grundsätzlich verschiedener Beurteilung kirchen­politischer Fragen ein wirklich schiedliches und freundschaftliches Übereinkommen unmöglich war2). wenn auch in einzelnen neben­sächlichen Punkten gelegentlich eine Annäherung erzielt wurde, die Kaunitz in seiner Eitelkeit nicht ungern als sein ausschließliches Verdienst beanspruchte. Über den immer deutlicher werdenden Mißerfolg tröstete er sich schließlich damit hinweg, daß das Scheitern *) KF, 1. Dezember 1763 und passim. 2) Zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit des Verhaltens der kirchlichen Unter handler siehe Seite 293, Anm. 2. 20

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