Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

304 Ferdinand Maaß daß kirchliche Rechte protestantischen Obrigkeiten zugesprochen worden waren. Nun konnte die Kirche es ja zulassen, daß katholische Fürsten, besonders wenn sie sich um die Religion so große Verdienste erworben hatten wie die Habsburger, solche Rechte im Namen und mit Erlaubnis der Kirche ausübten; in keinem Falle aber schien es an­gängig, derartige Privilegien auch Häretikern und Schismatikern zu gewähren. In den Mailänder Traktat war dann ein Geheimartikel aufgenommen worden, der den Protestanten in manchen Orten Graubündens unter gewissen Voraussetzungen bürgerliche Toleranz zuerkannte. Die österreichische Regierung war hierbei von der Erwägung ausgegangen, daß die älteren entgegenstehenden Bestimmungen die Einwanderung der Protestanten doch nicht verhindert hatten und daß eine solche 'Toleranz die Protestanten eher zu einem friedlichen Zusammenleben mit den Katholiken bewegen würde, als die ständige rechtliche Un­sicherheit, die sie immer in ihrer Existenz bedrohte. Für Kaunitz, der in diesem Punkte ganz realpolitischer Staats­mann war1), bildete diese Frage kein Problem mehr; da aber die Kaiserin von Anfang an nur mit halbem Herzen für eine solche Maß­nahme gewesen war und später, offenbar froh darüber, daß die römi­schen Vertreter Schwierigkeiten machten, sich ausdrücklich dagegen aussprach, mußte auch der Staatskanzler nachgeben und den Geheim­artikel preisgeben. Den dritten Stein des Anstoßes bildete das Amortisationsedikt, das im ersten Jahr dieses Schriftwechsels eine so große Rolle spielte. Dieses Edikt war gleichfalls im Jahre 1762 auf der Tagsatzung zu Ilanz erlassen, aber dann auf Veranlassung der österreichischen Regierungsvertreter im nächsten Jahre widerrufen worden. Diese Verfügung, die den Erwerb von Grund und Boden als kirchen­eigenen Besitz für alle Zukunft kurzerhand verbieten wollte, wurde nun in der Folge der Angelpunkt der großen Auseinandersetzung zwischen der obersten kirchlichen Behörde und der österreichischen Regierung. Wohl hatte diese ihren Einfluß dahin geltend gemacht, daß das Edikt zurückgenommen würde, aber nur deshalb, weil es in seiner schroffen Form nicht dem Brauch entsprach 2) wie er in Mailand, wo derartige Gesetze schon längst erlassen worden waren, tatsächlich geübt wurde und weil durch eine solche radikale Verfügung nur der Ab­x) KF, 9. April 1767. 2) KF, 23. Februar 1764.

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