Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus 303 Die letzten drei Briefe vom 11. Juli 1769, vom 8. März und 18. Oktober 1770 charakterisieren vor allem das persönliche Verhältnis zwischen Staatskanzler und Statthalter. Bemerkungen zum 1. Abschnitt vom 1. Dezember 1763 bis 28. August 1764. Das Unglücksjahr des Hubertusburger Friedensschlusses sollte für den österreichischen Staatskanzler doch nicht ohne jeden diplomatischen Trostpreis zu Ende gehen. Am 1. Dezember konnte sich Kaunitz bei seinem bevollmächtigten Minister in Mailand für die Aktenstücke bedanken, die ihn nunmehr instand setzten, den abschließenden Bericht über den glücklich abgeschlossenen Vertrag mit den Grauen Bünden für die Kaiserin zu verfassen. Dieser Vertrag, den die grau- bündnerischen Unterhändler im Jahre 1762 in Mailand abgeschlossen hatten und der dann von den Abgeordneten der Bünde und Gerichte im Herbst 1763 in Chiavenna ratifiziert worden war, gewährte Öster­reich gegenüber dem rivalisierenden Venedig erhebliche Vorteile politischer und wirtschaftlicher Natur, da von nun an der ganze Durchzugs- und Handelsverkehr auf der Hauptstraße von Como über Chiavenna nach Chur unter österreichische Kontrolle gestellt wurde 1). Als Gegenleistung hatten die österreichischen Unterhändler unter der Führung des Grafen Firmian den Graubündnern unter anderem auch kirchenpolitische Rechte zuerkannt, die aber der davon betroffene Bischof von Como nur dann als rechtsgültig anerkennen wollte, wenn sie von Rom in einem formellen Konkordat bestätigt würden. Einer solchen Vereinbarung standen aber schwer zu beseitigende Hindernisse entgegen, auf die die kompetenten kirchlichen Vertreter von allem Anfang an offen hingewiesen hatten 2). Vor allem durfte man es nicht ohne weiteres hinnehmen, daß in einem Staatsvertrag zwischen zwei Regierungen über kirch­liche Angelegenheiten, wenn diese auch die res mixtae betrafen, ver­fügt würde, als ob sie ebenso wie die rein politischen Dinge zum welt­lichen Jurisdiktionsbereich gehörten. Zu diesen grundsätzlichen Erwägungen kam in diesem Falle noch der schwerwiegende Umstand, *) E. Gagliardi, Geschichte der Schweiz, Zürich 1939, 2. Band, S. 1000. 2) Enthalten im Schriftwechsel zwischen dem Fürsten Kaunitz und dem Wiener Nuntius vom 15. Februar und 14. März 1764. (Beide Schriftstücke im Reinkonzept, bzw. in der Abschrift. Staatsarchiv, Staatskanzlei, Yara Romana, Fasz. 54.)

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