Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

MAASS, Ferdinand: Vorbereitung und Anfänge des Josefinismus im amtlichen Schriftwechsel des Staatskanzlers Fürsten von Kaunitz-Rittberg mit seinem bevollmächtigten Minister beim Governo generale der österreichischen Lombardei, Karl Grafen von Firmian, 1763 bis 1770

300 Ferdinand Maaß Wirkung folgen zu lassen. War doch gerade die staatskirchliche Praxis der letzten Zeit und ganz besonders jene des vergangenen Jahres die Schrittmacherin der radikalen Theorie gewesen 1). Der Fürst konnte aber diesem stürmischen Drängen nicht in allem nachgeben, da die Verhältnisse der großen Monarchie nicht überall so einfach waren wie in der, vom genio italiano beherrschten2) Lombardei und weil es sich vor allem darum handelte, die Kaiserin an den neuen Kurs zu gewöhnen. Da konnte man bei dem vielfältigen Gegenwirken aller reaktionären Kräfte3) nicht behutsam genug zu 1) In dieser Skizze ist die Praxis der einzelnen Hofkanzleien nicht berück­sichtigt; aber auch sie war vom Staatskanzler kontrolliert, wenn nicht inspiriert. Vgl. die Noten der Staatskanzlei an die böhmisch-österreichische Hofkanzlei vom 26. Dezember 1760 und vom 22. November 1761. (Staatsarchiv, Staatskanzlei, Dipartimento d’Italia, Fasz. 37.) Der Verfasser hofft, über Kaunitz und seine Stellung zum Josefinismus bald eine eigene Arbeit vorlegen zu können. (Verlag für Politik und Geschichte, Wien.) 2) KF, 3. Juli 1769. 3) Im Sinne der Neuerer. Die Kirche hat von Anfang an ernstlichen Wider­stand geleistet, da der Nuntius Borromeo schon 1767 im Namen des Papstes Verwahrung gegen die Übergriffe der vorderösterreichischen Regierung einlegen mußte. Der Protest machte auch auf Kaunitz Eindruck, der der böhmisch­österreichischen Hofkanzlei (die direkt verantwortlich war) folgende Mahnung zugehen ließ: ,,. . . Diese geh. Hof- und Staatskanzlei weiß ganz wohl, daß man sich diesseits in gleichen Fällen auf die österreichischen Haus- und Landesfrei­heiten und Gerechtsame zu berufen pflege, auch den Satz behaupte, daß selbige sich eben so wohl auf die österreichischen Vorlande erstrecken. Sobald man es aber mit einem so ansehnlichen auswärtigen Hof aufnimmt, zumal wenn dieser auf die vormalige Possession sich gründet, welche allein gut­willig und aus Gnaden abgetreten worden sei, so ist es notwendig, daß man sein eigenes und von aller fremden Verleihung unabhängiges Recht näher beweise oder wenigstens den Titulum davon bekannt mache ... “ Staatsarchiv, Staats­kanzlei, Dipartimento d’Italia, Fasz. 38, fol. 132. Gegen die Herbstverordnungen des Jahres 1767, die tief in die kirchlichen Verhältnisse der österreichischen Lombardei eingriffen, richtete Kardinalerzbischof Pozzobonelli von Mailand im Namen seines gesamten Klerus einen so ernsten Appell an das Gewissen der Kaiserin, daß man auf das Schlimmste gefaßt sein mußte, wie Hofrat Sperges dem Staatskanzler vertraulich mitteilte: ,,. . . Ho inteso in confidenza dal prelato di S. Dorotea, da me scandagliato sul referato per le rappresentanze dell’arcivescovo di Milano, che S. Maestä gli ha communicato quella pezza, affinché le ne dicesse in coscienza il suo parere. La risposta del prelato fu data in iscritto sino il giovedi della seorsa settimana: ma politica e studiata a disegno di cavarsi: egli dunque ha detto, ehe le provvidenze date in Milano non sono in tutto conformi né al gius canonico comune, né a quello della chiesa galli-

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