Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)
SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv
12 Jakob Seidl zur Verfügung gestellten Bergungsgruppen gedacht werden, die den Großteil der in Wiener Kellern verlagerten Bestände ohne fremde Hilfe auf Handwagen zurückbrachten. Trotz aller Anstrengung ist aber etwa ein Viertel der verlagerten Bestände noch nicht heimgekehrt. Es ist klar, daß mit der Rückbringung der Bestände die Arbeit nicht beendet ist. Während bei der Evakuierung darauf Rücksicht genommen werden konnte, daß die Ordnung nicht allzusehr gestört und wenigstens die einzelnen Archivkörper nicht vermengt wurden, muß die Rückbringung rasch erfolgen. Vielfach ist auch in den Bergungsstellen, in denen die Bestände doch halbwegs geordnet eingelagert waren, die Ordnung dadurch gestört worden, daß einquartierte Truppen, um Raum zu gewinnen, unsere in mehreren Zimmern eingelagerten Bestände in einen Raum zusammengepfercht haben, wobei natürlich Unordnung und auch Beschädigungen verursacht worden sind. Die Neuordnung und Beseitigung der entstandenen Beschädigungen wird noch jahrelange Arbeit erfordern, zumal der Stand der wissenschaftlichen Beamten herabgesetzt werden mußte. War es schon bei der Gründung des Reichsarchivs Wien nicht möglich, alle Abteilungen in einem Gebäude unterzubringen, wodurch die Abwicklung des Dienstes erschwert und Personalersparungen nicht durchgeführt werden konnten, so ist daran unter den heutigen Verhältnissen schon gar nicht zu denken. Die idealste Lösung wäre, die Errichtung eines Archivgebäudes auf dem unverbauten Grunde am Ballhausplatz, woran bereits im Jahre 1924 gedacht und für das im Jahre 1940 ein Plan verfaßt wurde, der durch den Bombenschaden in der Akademie für bildende Künste vernichtet worden sein dürfte. Durch die Errichtung eines solchen Archivgebäudes wäre es möglich, die Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv in ihrem allen Anforderungen entsprechenden in den Jahren 1899 bis 1902 als Archiv erbauten Heime zu belassen und dieses mit dem Neubau ober- oder unterirdisch zu verbinden. Dieses am Minoritenplatz 1 gelegene Haus1), welches an das ehemalige k. u. k. Ministerium des Äußern, das heutige Bundeskanzleramt, angebaut ist und mit diesem in räumlicher Verbindung steht, reicht leider mit seiner Fachlänge von 16.000 m heute nicht mehr aus, um alle Bestände dieser Archivabteilung, die rund 20.000 m Stellenlänge füllen, aufzunehmen. Es mußten daher behelfsb Eine ausführliche Beschreibung des Gebäudes gibt L. Bittner in der bereits erwähnten Einleitung zum „Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs“, S. 132 * ff., ferner G. Winter, „Das neue Gebäude des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs zu Wien“.