Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 1. (1948)

SEIDL, Jakob: Das Österreichische Staatsarchiv

10 Jakob Seidl Unmenge an Arbeit unter den schwierigsten Verkehrs Verhältnissen, Mangel an Verpflegung, schlechter Übernachtungsmöglichkeit, bei grimmiger Kälte und unter glühender Sonne, geleistet werden mußte, kann jedermann ermessen. Mit der Verlagerung allein war aber nicht alles getan. Die verlagerten Bestände mußten ja in Ordnung gebracht und immer wieder überprüft werden, eine Aufgabe, die mit dem Fortschreiten des Krieges stets schwieriger wurde und an die Rüstigkeit der zum Großteil nicht mehr jungen Beamten hohe An­forderungen stellte. Wenn wir heute zurückblicken, müssen wir uns sagen, daß diese Arbeit fast überflüssig gewesen ist und sich geradezu schädlich aus­gewirkt hat. Mit Ausnahme der Abteilung Staatsarchiv des Innern und der Justiz, dem heutigen Allgemeinen Verwaltungsarchiv, deren Unterkunftsstätte im Hause Wallnerstraße Nr. 6 am 10. September 1944 durch zwei Bomben schwer getroffen worden ist, hat das Reichs­archiv Wien außer Fenster- und Dachschäden keinen Schaden erlitten. Der durch die beiden Bomben am 10. September angerichtete Schaden war dank der durchgeführten Bergung verhältnismäßig gering und be­schränkte sich auf Bestände der neuesten Zeit. Schwer und, wie es in der ersten Zeit schien, fast undurchführbar schienen die Aufgaben, welche die wenigen im Dienst verbliebenen Beamten nach der Wiedererrichtung Österreichs zu bewältigen hatten. Die sachlich richtige Zusammenfassung der österreichischen Zentralarchive als Reichsarchiv Wien ist unter der Bezeichnung „Österreichisches Staatsarchiv“, das nach § 10 des Behörden­Überleitungsgesetzes dem Bundeskanzleramt untersteht, beibehalten und durch Einbeziehung des wieder in eine Zivilanstalt umgewandelten Kriegsarchivs und des Archivs für Verkehrswesen erweitert worden. Die Zahl der Abteilungen wurde durch administrative Vereinigung des Hofkammerarchivs mit dem Finanzarchiv und des Staatsarchivs des Innern und der Justiz mit dem Unterrichtsarchiv und dem Verkehrs­archiv trotz der Einbeziehung des Kriegsarchivs und des Verkehrsarchivs auf vier vermindert. Fast alle im Jahre 1940 übernommenen Bestände, mit Ausnahme der oben als zurückgestellt erwähnten, sind in die Verwaltung des Österreichischen Staatsarchivs übernommen worden. An eine räumliche Vereinigung ist natürlich auf lange Zeit nicht zu denken. Die erste Sorge der Archivleitung galt aber dem Schicksal der in Niederösterreich verlagerten Bestände, das ja Kriegsgebiet geworden war. Es verstrichen mehrere aufregende Wochen, bis die Verhältnisse

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