Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
Ungarn und sein Volk waren auch „unter dem Schutze zweier Kaiser" den Verheerungen der gegnerischen Truppen schutzlos ausgeliefert. Nördlich und westlich von der Linie der türkischen Grenzfestungen plünderten die türkischen „Steuereinnehmer", desgleichen taten die königlichen in der Tiefebene. Sobald eine der Parteien die Wache der Grenzfestungen nicht ordentlich entlohnte, deckte diese beim Landvolke und, wenn möglich, im feindlichen Gebiete ihre Bedürfnisse. Die Anfreundungen unter den Herren des ungarischtürkischen Grenzgebietes, die auf die Kämpfe des XVI. Jahrhunderts ein etwas romantisches Licht werfen, blieben vollkommen aus; die Parteien suchten keine Heldenkämpfe, wie sie es noch ein Jahrhundert vorher getan hatten, sondern den Hinterhalt und ausgiebige einträgliche Raubabenteuer. Die Truppen veranstalteten gegenseitig planmässige Jagden auf das andere Gebiet und flüchteten nach getaner Arbeit in ihre Festungen zurück; nach einer Schlappe duckten sie sich wie ertappte Übeltäter, nach einem Erfolg aber verschleuderten sie sofort die Beute und vertranken und verspielten den Erlös. Selbst das Ungartum beteiligt sich schliesslich an den Verheerungen. Die mittelalterliche Ritterrüstung, den schweren Panzer, der bei Mohács nicht gegen den Ansturm der leichtbewaffneten Türken zu schützen vermochte, legt man ab und nimmt die alte Rüstung und Kampfmanier wieder auf, mit der man nun gegen die ähnlich bewaffneten und geschulten Türken losschlägt. In leichter Rüstung, mit einem Schwert an der Seite, besteigt der Ungar das Pferd, sprengt im Galopp von Fülek bis in die südliche Bácska, von Raab bis in die Baranya, reitet 400—500 km und kehrt heiter und frohen Mutes in seine Festung zurück, sobald es ihm gelungen ist, „die Kasse des mächtigen Padischahs zu plündern oder irgend einen seiner Helden gefangenzunehmen". 1 Aber auch damit ist er zufrieden, wenn es ihm gelingt, ein paar hundert Pferde oder Schafe davonzutreiben, und macht sich auch darüber keine Gedanken, wenn er sie seinen Blutsverwandten oder Glaubensgenossen genommen hat. Das Reich war jedoch arm und verarmte immer noch mehr. Die Streifzüge mussten also — einerseits wegen der grossen Armut, anderseits wegen der grossen Umsicht des Feindes — sehr geschickt und 1 Musa Pascha an Questenberg und Schlick, vom 21. Zl-1-hidádáe 1042 (= 30. Juli 1633) und vom 29. Jan, 1634, beide Schreiben in Wien, St.-Arch., Turcica, Akten, bei dem betreffenden Datum.