Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
schüchterung des Feindes durch Waffengewalt war schon seit hundert Jahren das einzige Mittel, mit dem ungarische Palatine und Hauptleute in dem durch Rechtsunsicherheit charakteristischen Zeitalter noch eventuelle Erfolge zu erringen vermochten. Die Repressalien konnten jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und Umständen angewendet werden. Dabei musste nämlich damit gerechnet werden, dass der Angriff, mit dem man die Türken treffen wollte, unvermeidlich auch den Raajas schaden musste und dass ein Vorgehen mit Waffen den Zwiespalt kaum aus der Welt schaffen konnte, sondern die Türken erst recht zur Rache herausfordern musste. Unter diesen Umständen war die Lage so, dass die Ungarn in jedem Falle, ob nun das Heer des türkischen oder des deutschen Kaisers nach Ungarn kam —, dabei verlieren mussten. 1 Sich unterwerfen oder sich bis zur Vernichtung wehren gegen die Unterwerfung: dieses tragische Dilemma stand damals vor dem ungarischen Staatsmanne genau so wie vor dem letzten ungarischen Leibeigenen, und selbst heute, nach 300 Jahren, sehen wir für das ungarische Volk von damals keine dritte Möglichkeit als Ausweg aus dieser Lage. Die hundert Jahre vom Falle Ofens bis zum Tode Nikolaus Esterhäzys liefern den einzigen grossen Beweis hiefür, dass sich weder die führende Schichte noch das Volk unterwerfen wollte, sondern den Kampf bis zur Vernichtung wählte. Während die Balkanvölker dem Türkischen Reiche massenhaft Soldaten lieferten, wofür sich unzählige Belege in den türkischen Chroniken und biographischen Lexika finden: kann aus denselben Quellen nur von einigen Ungarn nachgewiesen werden, dass sie Mohammedaner geworden und als Renegaten in türkische Dienste getreten sind. Ob Adeliger oder Leibeigener — die Ungarn standen der türkischen Macht stets fremd und abwehrend gegenüber. Und wie der einzelne, so leisteten auch die amtlichen Kreise, die in den Türken von allem Anfang an die Ursache der Vernichtung des ungarischen Volkes sahen, dem Gegner Widerstand. Komitate und Reichstage waren entrüstet und verzweifelt über des Reiches Zerstörung, zahllose Klagen Hess man an den Türken gelangen, doch vergeblich war jede Bitte um Abhilfe; die königHchen Gesandten kehrten ebenso mit leeren Händen von Konstantinopel zurück wie die Ortsdelegierten von Ofen. 1 Vgl. die Aeusserung Murtedas im Laufe seiner Unterredung mit Tassi, Salamon, 198.