Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
Hundert Jahre vorher hatte ein Gesetz verboten, dass Prinzen des Hauses Osman auf europäischer Seite Statthalterschaften überlassen werden, 1 da man sich mit Recht davor fürchten musste, dass sich die Prinzen hier zur Auflösung der Reichseinheit mit christlichen Herrschern verbinden könnten. In hundert Jahren hatte sich die Lage jedoch wesentlich geändert. Im XVII. Jahrhundert konnte die Pforte auch nicht ganz verlässliche Leute mit grösserer Sicherheit in die europäischen Provinzen als sonstirgendwohin im Reiche verschicken. Gefährliche Leute gerieten hier in eine isoliertere Lage als anderswo; auf Unterstützung von fremder Seite konnten sie aus religiösen Gründen nicht rechnen und auch in politischer Hinsicht wäre es für sie nicht klug gewesen, mit Christen in ein Bündnis zu treten. Wer sich gegen die Dynastie empörte, hatte das Todesurteil zu gewärtigen und wurde Zwischen den beiden Kaiserreichen wie zwischen zwei Mühlsteinen zermalmt. In der Tat kam es hier nur unter Hunger leidenden, lumpigen Ortswachen zur Meuterei, die auf solche Weise die Ausbezahlung ihres verdienten Soldes zu erpressen suchten; doch ein Mann in führender Stellung hat hier nie seine Hand gegen die Macht erhoben. Dazu war aber auch dieses Gebiet nicht stark genug, dass die Reorganisation des Reiches von hier ihren Anfang hätte nehmen können. Es fehlte in erster Linie an den Massen von Türken mohammedanischen Glaubens — abgesehen von kleinen Gebieten, waren die Türken hier bloss Besitzer von Ländereien, ohne aber diese zu bewohnen —, ausserdem fehlte es an einer Organisation, die nach aussen wirklichen Frieden, im Inneren aber Wohlstand geschaffen hätte. Die Ansichten der damals im Reiche lebenden Fremden, der mit nüchternen Augen prüfenden ausländischen Gesandten, sind in der Beurteilung der Verhältnisse im Reiche sehr geteilt, insoferne die einen im Reiche zur Entfaltung grosser Aktionen fähige Kräfte erkennen, andere hingegen eher Zeichen eines Verfalls erblicken. Und das ist verständlich. Ein gründlicheres Studium der augenblicklich günstigeren Lage oder der besser disziplinierten europäischen Reichshälfte konnte eine gute Meinung begründen, während die sich häufenden Unruhen anderer Jahre oder anderer Gegenden im Beobachter eine gegenteilige Meinung bilden mussten. 1 Der spätere Selim I« besiegt als ältester Sohn in zwei Feldzügen seinen Vater, Bajazid II., und vermag diesem bloss auf solche Weise das Sandzak Szendrö (Semendre) zu erpressen.