Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
Die so gewonnene Macht — und die Sultane sind damals gewöhnlich auf solche Weise in den Besitz ihrer Macht gekommen — war zwar unbeschränkt, aber nicht sicher, nicht bleibend. Mit demselben Rechte, mit dem sie gewonnen wurde, konnte auch ein anderer wieder nach ihr greifen und sie mit ähnlichen Mitteln auch gewinnen. Denn im ganzen Reiche gab es keine Macht, der der Hof bedingungslos hätte vertrauen können und an der er eine kräftige Stütze gefunden hätte. Ja, sogar das Heer und die hauptstädtische Wache hielten den Hof und die Regierung in ihrer Gewalt. In den Reihen der hauptstädtischen Truppen hielten sich zahlreiche entschlossene Janitscharen- oder Spahiführer, zorba, versteckt, die sich bereits in früheren Empörungen geschult hatten und es wohl verstanden, die Truppen in Aufruhr zu versetzen. Gewöhnlich begannen sie ihre Unruhen mit der Einforderung des rückständigen Soldes. Natürlich war diese Forderung nur ein Vorwand, konnnte aber bei der beständigen finanziellen Unordnung des Reiches immer wieder erhoben werden. Wenn es dann auf diesem Wege gelungen war, die Schwäche der Regierung auszuforschen, und wenn die Bewegung sich inzwischen gekräftigt hatte, wurden neue, fast typisch ähnliche Forderungen gestellt. Ursache für die Verbitterung des Heeres — der „treuen Diener" — sind immer die Vezire, gewisse Hofleute; die Erregung muss also durch deren Bestrafung beschwichtigt werden, d. h. sie müssen entweder tot oder lebendig ausgeliefert werden. Obgleich dies der gewöhnliche Verlauf der Empörungen in Konstantinopel war, so konnte man doch niemals mit Bestimmtheit wissen, ob sich die Empörer nach den gewohnten Erfolgen beruhigen würden, und die Sultane hatten alle Ursache, davor zu bangen, dass nach ihren Veziren nun auch ihr Thron und ihr Leben dem Aufruhr zum Opfer fallen könnte. Während so die hauptstädtische Wache jede Reform unmöglich machte, wäre es vielleicht denkbar gewesen, aus der Provinz jene Kraft zu erwarten, die zur Reorganisation des Reiches notwendig war. Doch auch die Provinzen erlebten damals ähnlich kritische Zeiten wie die Hauptstadt des Reiches. In der östlichen Reichshälfte, namentlich in Kleinasien, waren die Zustände vielleicht noch schlimmer als in der Hauptstadt. Während unter den Mohammedanern der Residenz keine Glaubensgegensätze bemerkbar waren, erhöhten im Osten auch diese die Heftigkeit und Zähigkeit des Kampfes gegen das Reich. (Der Einfluss kirchlicher