Fekete Ludwig: Türkische schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy (Budapest, 1932)
Einleitung
nen, aus den Schönheiten fremder Völker hervor und wurden von schmeichlerischen Höflingen und auf Beförderung bedachten Statthaltern in die Paläste des Padischahs geschickt; so kommt es zu der traurigen Tatsache, dass die Mitglieder eines Herrscherhauses von so glänzender Vergangenheit eigentlich Kinder von Sklavinnen sind, schon in der ersten Generation zur Hälfte mit fremdem Blut in den Adern. Auf diese Weise büsst das Haus Osman durch sein Familienleben an seinem mohammedanischen, ja sogar osmanisch-türkischen Charakter ein und gerät unter den Einfluss fremder, unbekannter Kräfte. Sein Schicksal und die Gestaltung der eigenen Zukunft entgleitet unmerklich seinen Händen. Die Erziehung seiner künftigen Padischahs, der Prinzen, die Regentenrolle bei minderjährigen Sultanen und die Ratgeberrolle bei erwachsenen geht immer mehr in die Macht der Sultanmütter — Valides — über und gerät damit in die Hand von Sklavinnen; in der Person dieser Sklavinnen aber rückt ein Element in die Nähe der Macht, das mit dieser weder zu leben noch darin Mass zu halten versteht. Als dann — schon im XVII. Jahrhundert — als Folge der Sünden der Vergangenheit geistesschwache oder wollüstige Männer, ja selbst Kinder als Sultane den Thron besteigen, haben sie in den Sklavinnen einen Hof um sich, den nicht Familienbande, sondern der Zufall zusammengefügt hat. Die Damen des Hofes sprechen alle eine andere Sprache, erinnern sich alle einer anderen Religion ihrer Kindheit. Unter sich kennen sie niemanden, sind miteinander nicht verwandt, sondern Rivalinnen. Wer von ihnen — und sei es auch für gemeine Zwecke — irgend einen Plan verwirklichen möchte, bedient sich der Hilfe der Dienerschaft, oft der Eunuchenagas, und belohnt im Falle des Gelingens mit nichtverdienten hohen Stellungen. Die „Weiberherrschaft" führt derart ein Intrigensystem ein, in dem man vor keinem Mittel zurückschreckt, auch nicht vor dem entsetzlichsten und verwerflichsten. So bereitet die Mutter Mustafas I., die schon einmal gestürzte Valide, den Sturz Osmans II. vor, um die neuerliche Thronerhebung ihres schwachsinnigen Sohnes durchzusetzen, sieht sogar mit an, wie die Empörer — darunter ihr Schwiegersohn Daud Pascha — Osman die Schlinge um den Hals werfen, feuert ihre zaudernden Getreuen immer wieder zum Morde am Sultan an und lässt sich nachher — zum Beweis für die Vollbringung der Greueltat — die dem Sultan abgeschnittenen Ohren überreichen. 1 • 1 Kjätib öelebi: Fezleke (Konstantinopel, 1286 —, beg. 13. Apr. 1869) II, 23.