Ludwig Fekete: Einführung in die Osmanisch-Türkische Diplomatik der Türkischen Botmässigkeit in Ungarn (Budapest, 1926)

EINLEITUNG

EINLEITUNG Der Ausbau der allgemeinen osmanlitürkischen Urkundenlehre ist eine Aufgabe der Zukunft und da er nur mit Kenntnis einer grossen Zahl von türkischen Urkunden und Aufzeichnungen über die Gebräuche der Kanzleien möglich ist, hängt er von dem Fortgang der osmanlitürkischen Urkundenpublikationen und dem Schicksal der Archive ab. Da sich nun der grösste Teil des türkischen Urkundenmaterials auf türkischem Staatsgebiete befindet, sind die türkischen Archivverhältnisse für die Schaffung einer türkischen Diplomatik von besonderer Wichtigkeit. Das türkische Urkundenmaterial wurde mehr­fach von vernichtenden Schlägen heimgesucht. Das Zentralgebäude der Reichsregierung (bab* ( ali) brannte allein im Verlaufe der letzten zwei Jahr­hunderte sechsmal ab (a. H. 1168, 1223, 1241, 1254, 1295, 1329 = a. D. 1755/56, 1808/09, 1825/26, 1838/39, 1878, 1911). Infolge des Mangels an Achtsamkeit und Umsicht aber wirkte ausser den häufigen Feuersbrünsten auch die Feuchtigkeit zerstörend auf die Urkunden ein. Die Ursache dieser Nachlässigkeit und Gleich­gültigkeit können wir darin erblicken, dass die tür­kische Geschichtsforschung es bis in die neueste Zeit nicht erkannte, welche Quellenwerte in den Archiven schlummerten, während die Behör­den das Material, um dessen Inhalt sie sich gleich­falls nicht gekümmert hatten, eifersüchtig nicht nur vor den Fremden, sondern auch vor ihren Landsleuten verbargen. Dem verstorbenen Emerich Karácson, dem einzigen Abendländer, der bisher in den türkischen Archiven systematische Forschungen angestellt hat, wenn er auch nicht der einzige ist, der sie zu sehen bekam, gebührt das Verdienst, die Auf­merksamkeit der zuständigen türkischen Persön­lichkeiten auf die Archivfrage gelenkt zu haben. Er arbeitete 1907—11 im Auftrage des ung. Kultus­ministeriums in den Archiven von Konstantinopel. Sein Wirken stiess auf schwere Hindernisse, denn die damaligen massgebenden Kreise der türkischen Hauptstadt begegneten ihm mit Misstrauen, ja sogar Verdacht. Infolge der Schikanen der amt­lichen Kreise und einzelner Personen, dann auch infolge der Wirren der jungtürkischen Revolution musste er täglich neue Schwierigkeiten aus dem Wege räumen. 1 Lange dauerte es, ehe er bei den Behörden Vertrauen für seine Person und Inter­esse für seine Pläne erweckte 2 und den sicheren Verlauf seiner Arbeit, aus der ihn sein tragischer Tod gerissen hat, garantierte. 3 Karäcsons Lebenswerk erschöpft sich nicht mit seinen Publikationen. Er hat mehr vollbracht. Er hat das Interesse auf die Archivforschung gerichtet und zur Belebung und Modernisierung der Geschichtsforschung in türkischer Sprache das Seine beigetragen. Unter dem Einflüsse seiner Tätigkeit begann die türkische Regierung die Sammlung und Ord­nung der Archivbestände. Durch den Krieg und die Verlegung der Hauptstadt ist diese Arbeit zeitweilig ins Stocken geraten, ist aber neuerdings 1 Sein Tagebuch befindet sich in der Handschriftensamm­lung des Ung. Nationalmuseums. 2 s. Nedzlb c Xslms Nachruf TOEM 2. 516. s Er starb an einer Blutvergiftung, die er sich bei seiner Forscherarbeit im Archiv zugezogen hatte, am 2. Mai 1911.

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