Ludwig Fekete: Einführung in die Osmanisch-Türkische Diplomatik der Türkischen Botmässigkeit in Ungarn (Budapest, 1926)

DIPLOMATISCHER TEIL

die Publicatio, Narratio, Dispositio, Sanctio und Corroboratio; im Eschatocollum das Datum und den Schlussgruss, die Apprecatio, — die nicht nur in ihrer Reihenfolge, sondern teilweise auch im Ausdrucke mit der abendländischen Gewohnheit übereinstimmen. Diese Ubereinstimmung haben verschiedene Faktoren herbeigeführt. Auf das staatliche Schrift­tum der Osmanlitürken haben, besonders in der ersten Periode ihres Staatslebens, ihre Nach­barn: türkische Stämme mohammedanischen Glau­bens und das Byzantinische Reich, später aber die Araber und Perser grossen Einfluss ausgeübt., Ostlicher Der arabische Einfluss beginnt zwar mit der Einfluss. ß e j ie ] irun g zum isiäm der Osmanlitürken, ist aber infolge der Ansiedelung dieser in einer, vom Wir­kungskreise der Araber weitentfernten Gegend, im westlichen Teile Kleinasiens, in Ermangelung unmittelbarer Berührungen erschlafft. Dasselbe gilt auch vom persischen Einfluss, nur mit der Beschränkung, dass dieser doch durch Vermittlung der dazwischenliegenden türkischen Stämme, deren Schrifttum auf persischen Mustern aufgebaut war, zur Geltung zu kommen vermochte. Da die Osmanlitürken bei Gestaltung ihres Staatswesens ihre unmittelbaren Nachbarstaaten, die kleinasia­tischen Fürstentümer, sich zum Vorbild nahmen, gerieten sie selbst unter persischen und arabischen Einfluss. Später, nach den Eroberungen Meri­meds II. und Selims I., bedurfte dieser Einfluss gar keiner Vermittlung mehr. Infolge der dauernd gewordenen Verbindung und der kulturellen Kraft dieser beiden Völker wurde er — besonders auf wissenschaftlichem und belletristischem Gebiete — beinahe unbeschränkt. Westlicher Der westliche (christliche) Einfluss, der sich Ein uss. ^ggjgj^alb des byzantinischen Reiches in den süd­östlichen Staaten Europas, in Italiens Städten und in Frankreich geoffenbart hat, ist mit bedeutend geringerer Wirkung zur Geltung gelangt als der östliche. Obwohl sich die Beziehungen der Osmanli­türken zu den westlichen Völkern im 15.—17. Jhdt vertieft hatten und zu einigen Staaten (Venedig, Frankreich, Ungarn, das Kaisertum) und auf einigen Grenzlinien (nordwestliche Grenze) sogar für Jahr­hunderte beständig geworden waren, konnten sie doch wegen der eigentümlich scharfen Gegensätze (Gegensatz der Rasse und des Glaubens, Ab­weichungen in der Schrift und der offiziellen Sprache), die die Türken auch für die sog. Friedens­zeiten zu Feinden ihrer Nachbarn gemacht hatten, keine tieferen und breiteren Spuren zurücklassen. Das geistige Leben der Osmanlitürken haben also orientalische Völker mohammedanischen Glaubens, die Araber und besonders die Perser, gelenkt. Die Osmanlitürken nahmen sich in Glaubensfragen die Araber, die lebhafteren, zum Führen und Lehren geeigneteren und fähigeren Perser in Zweigen des weltlichen Lebens zu ihren Lehrmeistern. Das Mass der Einflüsse dieser beiden Völker zeigt in der Diplomatik der Botmässigkeit auch die Entwicklung der Sprache, der Stil, und die Anzahl der Fremdwörter der türkischen Urkunden an. In den ältesten osmanli-türkischen Urkunden Die Ent­wicklung des kommen verhältnismässig selten fremdsprachliche offiziellen Stiles Elemente vor. Das Türkentum schöpfte im 15. Jhdt die amtlichen Ausdrücke meistens aus der eigenen Sprache, und wie der Wortschatz der ältes­ten Urkunden, sowie die seither ausgestorbenen Wendungen und Elemente der Umgangssprache zeigen, war die osmanli-türkische Sprache ohne grössere Anleihen und ohne fühlbare Störung ihres Charakters zu der geforderten Entwickelung be­fähigt. Die mächtige Wirkung des persischen und arabischen Einflusses hat aber ihrer weiteren Ent­wickelung eine andere Richtung gegeben. Eine amtliche Anerkennung des persischen und arabischen Einflusses bedeuten die Verord­nungen über das Kanzleiwesen im Gesetzbuch Mehmeds IL, die für die Urkunden fremde For­meln vorgeschrieben haben. Die diesmals einge­schlagene Richtung wird langsam ansteigend bis zur Zeit Sülejmäns II. (Känüni) verfolgt und ist später, an der Wende des 16. zum 17. Jhdt, allge­mein geworden. Dabei hatte sich bei den Osmanli­türken auch die persisch-arabisch-(seldzuk-)tür­kische Mischsprache, die sich in dem Reiche der Seldzuken Kleinasiens ausgebildet und die seinerzeit auch in deren Nachfolgestaaten gelebt hatte, eingebürgert. Die Osmanlitürken, die sich für Erben des Seldzuken-Reiches hielten, haben

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