Ludwig Fekete: Einführung in die Osmanisch-Türkische Diplomatik der Türkischen Botmässigkeit in Ungarn (Budapest, 1926)
DIPLOMATISCHER TEIL
auch dessen Amtssprache übernommen. Dieser Umstand diente zwar ihrem Schrifttum zum Vorteil, hat aber die weitere Entwicklung ihrer Sprache verhindert. Die der Freiheit einer weiteren Entwicklung beraubte osmanli-türkische Sprache wurde mit jener der Araber und Perser in eine Art Spracheneinheit „der drei Sprachen" (elsine' 1 seiäse <uJ! gezogen, was weiters zur Folge hatte, dass sich neben der einfachen, von fremden Elementen freien türkischen (acfk türkdze <£jf J~>^) eine verwickelte, fremdwortreiche „geschmückte, vornehme Sprache" (fasih türkdze \Cjy ^^s) ausgebildet hat. 1 Der herrschende Geschmack verlangte es, dass die Sprache der Urkunden, wie es der Macht des Reiches gebührte und der Mode gefiel, prächtig und schwungvoll gestaltet werde, dass der Konzipist das unerschöpfliche Material der poetischen Formeln, Phrasen, Bilder u. s. w., die die „drei Sprachen" bieten konnten, mit der Begabung eines Schönschreibers zur Geltung bringe, dass er den eleganten Stil beherrsche, möglicherweise von poetischer Begabung sei (vergl. das Spruchwort: türkdze hüner «Xjj> 'türkisch schreiben [wissen] ist eine Kunsf). Die Folge der so entstandenen Richtung, der Geziertheit des Stiles, war, dass der Konzipist nicht nur in den schematischen Teilen, sondern auch in den meritorischen die Ersten des belletristischen Lebens nachahmte und mit den berühmtesten Stilisten, mit den professionierten Chronik- und Lobversschreibern, mit den Vak'anüvis und Säh-nämedzis des grossherrlichen Hauses, zu wetteifern anfing. Auch die Konzipisten mit massiger Begabung fangen an zu glauben, dass ihre Arbeit ein belletristisches Meisterwerk werden müsse, und benennen die gewöhnlichsten Begriffe des öffentlichen Lebens mit grösster Sorgfalt auch in ein und derselber Urkunde mit zwei-drei Synonymen aus den „drei Sprachen" persisch, arabisch (aus diesen Sprachen 1 Gegen Ende der Botmässigkeit in Ungarn finden sich in modisch „schön" abgefassten Briefen kaum zwanzig Prozent türkischer Wörter. Der Rest ist zwar grösstenteils arabisch, da er sich aber durch Vermittlung der Perser eingebürgert hat, zeigt er auch persischen Kultureinfluss. eventuell mit mehreren Wörtern) und türkisch; als Beiwort gebrauchen sie aber in keinem Fall ein türkisches Wort. Es kam noch dazu, dass die feierliche Gelegenheit der Mitteilung aussergewöhnlicher Ereignisse (wie z. Bsp. einer Thronbesteigung, einer Siegesnachricht) die Phantasie der Konzipisten noch weiter dazu hingerissen hat, die schönsten Beispiele der Vergleiche, Bilder u. s. w. aus der Fabel- und Sagenwelt des Orients zu nehmen. Guter Klang, Rhythmus, Assonanz und Reim waren ihnen Hauptsache und sie suchten, den Beweis zu erbringen, dass sie über eine imponierende Fülle des im Osmanli-türkischen noch nie gebrauchten Fremdwortmaterials verfügen. Die Mitteilung der Daten wurde als minder wichtig erachtet, auch war es kaum das grösste Übel, wenn der Text der Urkunde nicht genug klar und verständlich war. Ausser dem Wortmaterial, dessen fremde Elemente — wenigstens in den betreffenden Teilen des Reiches — auch aus den Sprachen der übrigen Völker des Reiches zunahmen, zeigt überdies der Satzbau eine wesentliche Veränderung. Während die Urkunden des Mittelalters aus kurzen, leicht übersichtlichen Sätzen bestanden haben, bestehen sie in der Neuzeit, insbesondere seit dem 17. Jhdt, aus nur einem verwickelten, oft konfusen Satze, in dem die Anrede zwischen Ein- und Mehrzahl schwankt, direkte und indirekte Reden, Activum und Passivum abwechseln und oft mehrere überflüssige Subjekte vorkommen. Das Zeitwort kann sich bald auf das eine, bald auf das andere Subjekt beziehen, eventuell kann es überhaupt fehlen. Diese „Gesetzmässigkeit" bewirkt, dass diese Urkunden, nur in kürzere Sätze aufgeteilt, übersetzt werden können, dass ihre Auslegung und Erklärung öfters mit mehreren Möglichkeiten rechnen muss und darum nicht überzeugend wirken kann. Während der Übersetzung und der Erklärung geht der Stil verloren, und doch kann der Mangel der Angaben nicht ersetzt werden. Der Forscher kann die Urkunden höchstens von dem — ehemals hochgeschätzten, unserer Meinung nach überflüssigen — Schmuck befreien; was aber an sachlichen Angaben darin fehlt, zu ersetzen, liegt nicht in seiner Macht.