Franciscus Dőry: Decreta Regni Hungariae : Gesetze und Verordnungen Ungarns 1301–1457 (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 11. Budapest, 1976)

Einleitung

die Mitte des 15. Jahrhunderts gern beruft, macht den Reichstag durch die bis zur Festlegung der Befugnisse des Staatsoberhauptes während des Interregnums reichende Gesetzgebung bereits unerläßlich. Von Jahr zu Jahr, sozusagen vor unseren Augen, entwickelt sich die Struktur des Ständestaates und damit jener Begriff des Dekrets, den die Kovachich' noch als von Anfang an bestehend be­trachteten. Auch in diesem Zeitalter ist die Gesetzgebung ein Spiegel der mittelalterlichen Gesellschaft; die uns überlieferten Dekrete und die Berufungen auf die verlore­nen erwähnen gewöhnlich, welche Schichten bei ihrem Entstehen mitgewirkt haben. In diesem anderthalb Jahrhundert sind die Erzbischöfe und Diözesanbi­schöfe (prelati) sowie die höchsten Würdenträger und größten Grundbesitzer des Landes (barones) durch ihre materielle Kraft und ihr politisches Gewicht gera­dezu unerläßliche Faktoren bei der Schaffung allgemeingültiger Rechtsnormen. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, als der Terminus consilium allgemein üblich wurde, ist der Ausdruck „prelati et barones" mit dem königlichen Rat gleichbe­deutend. Nur in einem einzigen Fall, in der auf Ersuchen der adligen Armee im Felde erlassenen Rechtsnorm vom 10. August 1324, fehlt die Erwähnung der barones. Die prelati wiederum kommen unter den Gesetzgebern nicht vor, wenn das Dekret den Interessen ihres Standes, „der Freiheit der Kirche" widerspricht. Sie verweigern ihre Beteiligung in gar nicht unbedeutenden Fällen: sie fehlen im Dekret vom 11. Dezember 1351, das die Goldene Bulle erneuerte, in dessen neuer Ausgabe vom 22. Juni 1384, im „Gnadenbrief' vom 8. Oktober 1403 so­wie in der Rechtsregel vom 23. Juni 1405, die die Befreiung des Adels vom Zehnten zuerst verkündete. So groß auch ihr Ansehen gewesen sein mag, gibt es doch kein Zeichen dafür, daß es ohne sie unmöglich gewesen wäre, ein Dekret rechtsgültig zu erlassen. Das Fernbleiben des Klerus in den erwähnten Fällen hielten die Zeitgenossen für ebenso natürlich wie ihre Enthaltung bei der Ver­hängung der Todesstrafe. Die Adligen oder ihre Deputierten sind bis zu den 1430er Jahren bei weitem nicht so notwendige Faktoren der Gesetzgebung. Nicht, daß sie in den Dekreten des 14. und des frühen 15. Jahrhunderts vollständig fehlten, sie bilden in denen von 1351 und 1384 sogar die „Gesamtheit des Landes" (universitatis idemptitas), 1385 und 1397 erscheinen vier Deputierte aus jedem Komitat und treten für ihre Auftraggeber „plena potestate" auf. Im Dekret vom 8. März 1435 kommen sie als „totum corpus regni representantes" vor. Erfordert jedoch ein Problem dringende Regelung, so kann der König mit seinem Rat ohne Mitwirkung des Adels vorgehen. Daß die Adligen seit 1432 unter den Schöpfern der Gesetze nicht fehlen, zeigt ihr gestiegenes politisches Gewicht. (Zwischen 1440 und 1445 werden sie - vielleicht beeinflußt durch die polnische Kanzlei - des öfteren auch „Ritter", milites genannt, oder die Gesetze sprechen von „Rittern und Adli­gen".) Wenn es darum geht, die Meinung des Adels zum Ausdruck zu bringen, dann erscheinen nicht die Kleingrundbesitzer vor dem König, sondern diejeni­gen, die im Lande tonangebend sind, die Wohlhabenden:potiores nobiles (z.B. 1385,1432). Die sich in den Gesetzen seit 1351 oft wiederholende Bezeichnung dieser vermögenden Adelschicht istproceres. Es ist zu beobachten, daß die Texte 1385 und einige Jahrzehnte danach auch dann auf die Teilnahme der proceres hinweisen, wenn sie die Adligen nicht erwähnen; seit 1439 kommen beide Aus­drücke nebeneinander vor, gewöhnlich in der Form proceres et nobiles. Daß es

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