Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)

Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges

anhafteten, gab einem späten, unbegabten Nachfolger Metternichs, dem Grafen Berchtold einen Wirkungsbereich in die Hände, daß er ohne konkrete und sofort einsetzende Kontrolle und durch das Fehlen eines parlamentarischen Gegenge­wichtes praktisch ohne Risiko, auf parlamentarischem Wege zur Rechenschaft gezo­gen zu werden, den Militärapparat des verfallenden Habsburgreiches in Gang setzen konnte. Das Gewicht liegt hier eigentlich nicht so sehr auf der Ingangset­zung wie auf dem Zeitpunkt, zu dem es geschah. Denn die Interessen jener Schich­ten, die Berchtold im Amt des Außenministers vertrat, 151 richteten sich nicht gegen die Auslösung des Krieges, doch stimmten ihre Interessen bezüglich des Zeitpunk­tes nicht überein. Daß diese Tatsache, die auf den ersten Blick als nicht einschnei­dend erscheinen mag, im gegebenen Zeitpunkt — meiner Ansicht nach, zumindest teilweise eben durch die Eigenart des Staatskonstruktion — als entscheidende Kraft in den Gang der Dinge eingegriffen hat, wird bei genauer Untersuchung der Dinge klar. Aus der Geschichte des letzten halben Jahrhunderts der Habsburgmonarchie möchte ich drei Wendepunkte betrachten, um, wenn auch auf die augenfälligsten Tatsachen beschränkt, blitzlichtartig, die geschichtliche Rolle des höchsten Regie­rungsorgans des Habsburgreiches, des gemeinsamen Ministerrates und den Einfluß des sich aus der Stellung des gemeinsamen Ministers des Äußern ergeben­den Machtbereichs auf die Gestaltung schicksalentscheidender Ereignisse zu erkennen. Anfang des Jahres 1878, als in der Atmosphäre der bevorstehenden Okkupation von Bosnien — Herzegowina der Bogen der internationalen Gegensätze bis zum äußersten gespannt war, befaßte sich der gemeinsame Ministerrat der Österrei­chisch-Ungarischen Monarchie mit den militärischen Maßnahmen, die im Falle eines drohenden Konfliktes zwischen Rußland und der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zu ergreifen wären. Es kam auch das Problem der Mobilmachung zur Sprache. Die Deckung der Mobilmachungskosten hätten nach den Regeln der kaum mehr als zehnjährigen konstitutionellen Einrichtung die Delegationen votie­ren müssen. Graf Gyula Andrássynahm in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 7. Februar 1878 gegen die öffentliche Behandlung dieser Frage Stellung. Nach Meinung des ersten und unter allen späteren Regierungschefs von politischen Idealen vielleicht am wenigsten beeinflußten Ministerpräsidenten des dualisti­schen Ungarns sollten die parlamentarischen Faktoren nicht zu ernst genommen werden (also nicht einmal die in den Ausgleichsverhandlungen eingerichteten Delegationen, dieses nicht besonders gelungene Organ!). Er sagte: das Budget der Mobilisierung müsse den Vertretungsorganen so vorgelegt werden, daß es keinen Anlaß zu viel Rederei gebe. Vor allem sollte man nur mit einem Bruchteil der sich als notwendig erweisenden Ausgaben vor die Delegationen hintreten und so hin­stellen, als würden sie für Verteidigungszwecke gefordert werden.Wenn diese bewil­ligt sind, müsse man trachten, die in den ersten Tagen der Mobilisierung fällig werdenden Summen auf anderen Wegen zu beschaffen. Die Genehmigung der auf diese Weise eröffneten Geldquellen durch die Delegationen werde unschwer erreicht werden können, wenn der Krieg bereits ausgebrochen sei. Wichtig sei, daß der Beginn der Mobilisierung nicht von langwierigen Debatten abhängig gemacht

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