Komjáthy Miklós: Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918) (Magyar Országos Levéltár kiadványai, II. Forráskiadványok 10. Budapest, 1966)
Einleitung: Die Entstehung des gemeinsamen Ministerrates und seine Tätigkeit während des Weltkrieges
festgelegten Zeitraum und möglichst über die Legislative beider Staaten. Jedes der beiden Parlamente entsendet eine Deputation (die Quoten-Deputation, nicht zu verwechseln mit den Delegationen). Mit Unterstützung der zuständigen Ressortministerien arbeiten diese Deputationen zur Bestimmung der Quote Vorschläge aus. Die Vorschläge werden dann vom ungarischen und vom österreichischen Finanzminister der Legislative ihrer Länder zur Behandlung und Entscheidung vorgelegt. Die Parlamente teilen ihre Beschlüsse einander durch die zuständigen Ministerien mit. Stimmen diese überein, werden sie dem Herrscher zur Sanktionierung unterbreitet. Können sich die Quotendeputationen nicht einigen, sind die Ansichten beider Parteien beiden Volksvertretungen vorzulegen. Wenn dann auch die beiden Parlamente verschiedener Meinung sind, wird die Quote auf Grund der unterbreiteten Angaben und des Verhandlungsmaterials vom Monarchen festgesetzt. 69 So wie die eigenartige parlamentarische Form der Delegationen den Ausgleich in den Augen der ungarischen Politiker als annehmbar erscheinen ließ und — post festum und auf Grund entgegengesetzter Hoffnungen — das Übereinkommen über den neuen Rahmen der Monarchie auch von den Vertretern des anderen Teiles der Habsburgmonarchie angenommen wurde, so wurde Franz Joseph — wie J. Redlich richtig bemerkt — in erster Linie dadurch für die Annahme des von Ferenc Deák ausgearbeiteten Ausgleichsentwurfs bewogen, weil er die endgültige Entscheidung über die Quote in seine Hände legte. Hinzu kam noch der Umstand, daß ihm in den Angelegenheiten der ihm so sehr am Herzen liegenden Armee durch die Aufrechterhaltung seiner Rechte als oberster Kriegsherr, nicht nur die Erinnerung an sein absolutes Herrschertum erhalten blieb. 70 VIII Im Verlaufe des Jahres 1866 hat sich der österreichische kaiserliche Ministerrat wiederholt mit der Frage des ungarischen Ausgleichs befaßt. 71 Damals hatte es noch den Anschein, der Ausgleich könne auf der Grundlage des von der kaiserlichen Regierung vorgeschlagenen Entwurfs Zustandekommen. 72 Immer mehr jedoch wurde auch über die Verworrenheit der verfassungsmäßigen Zustände gesprochen. 73 Was man unter Verworrenheit verstand, zeigte sich, als die Anfang Januar 1867 abgehaltenen Landtagswahlen (aus deren Mehrheitsbeschluß das neue Reichsparlament hervorgehen sollte) eine Minderheit für die Deutschen brachten. Die am 30. Oktober 1866 erfolgte Ernennung des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Baron Beust zum Minister des Äußern zeigte deutlich, daß sich die Vorstellung des Staatsministers und österreichischen Ministerpräsidenten Belcredi, der die Entwirrung nicht nur auf die Deutschen und Ungarn basieren wollte, nicht völlig mit der Auffassung des Herrschers deckte. Franz Joseph neigte immer mehr zum Standpunkt der deutschen Liberalen, Deáks, Andrássys und ihrer Anhänger. Der mit den innerpolitischen Verhältnissen der Monarchie wenig vertraute Beust hielt, überzeugt, daß eine aktive Außenpolitik nur nach Lösung der aktuellen innerpolitischen Probleme möglich sei, jene